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OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.12.2010 - 3 W 72/12 - Zur Angabe einer Postanschrift in der Widerrufsbelehrung

OLG Düsseldorf v. 08.12.2010: Zur Angabe einer Postanschrift in der Widerrufsbelehrung nach alter Rechtslage


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.12.2010 - 3 W 72/12) hat entschieden:
Kommt es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Beklagten gegen die Klage entscheidend auf eine - ungeklärte - Rechtsfrage an (hier: ob nach der im Jahre 2007 geltenden Rechtslage der Widerrufsempfänger mit seiner ladungsfähigen Anschrift zu bezeichnen war oder eine Postfachanschrift genügte), so darf die untere Instanz dem Beklagten Prozesskostenhilfe nicht deshalb versagen, weil die Rechtsverteidigung des Beklagten keinen Erfolg verspreche.




Gründe:

Das gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO als sofortige Beschwerde statthafte Rechtsmittel des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die von ihm beabsichtigte Verteidigung gegen die Klage bietet im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dies besagt zugleich, dass sie nicht mutwillig ist. Die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Landgericht bislang nicht geprüft; dies wird nunmehr zu geschehen haben.

1. Nach den von der Klägerin erklärten teilweisen Klagerücknahmen werden mit der Klage nunmehr ein Erfüllungsanspruch aus Kaufvertrag als Zahlungsanspruch sowie Zinsen, vorgerichtliche Mahnkosten und Rechtsanwaltsgebühren als Nebenforderungen geltend gemacht. Danach hat die Rechtsverteidigung bereits dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie geeignet ist, jenen Erfüllungsanspruch zu Fall zu bringen.

2. Bezüglich des Zahlungsanspruches dürfte die Klage bereits teilweise unzulässig sein, da sie insoweit der gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheit ermangelt. Die Klageschrift lässt nicht erkennen, welche Einzelforderungen der Klägerin der Beklagte bis zur Gesamtfälligstellung erfüllt hatte und welche nicht; mithin, welche Einzelforderungen aus der Zeit bis zur Gesamtfälligstellung auf die Klage hin zugesprochen werden sollen.

3. Die Klägerin hat, darin folgt der Senat dem Landgericht, ihre Sachlegitimation durch Vorlage der Ablichtung des Abtretungsvertrages vom 6. September 2002 hinreichend - und vom Beklagten auch nicht mehr angegriffen - dargetan.

4. Ebenfalls tritt der Senat dem Landgericht darin bei, dass es in der Sache auf die Wirksamkeit des vom Beklagten vorsorglich sowohl der Zedentin als auch der Klägerin gegenüber erklärten Widerrufs mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2011 ankommt. In diesem Zusammenhang sind schließlich die Standpunkte des Landgerichts, die Fassung der Widerrufsbelehrung im Vertrag vom 19. Dezember 2007 habe den gesetzlichen Vorgaben in § 355 Abs. 2 Satz 1 (i.V.m. Abs. 1 Satz 2) BGB a.F. entsprochen; eines Hinweises auf § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB a.F. habe es nicht bedurft, da diese Vorschrift nicht auf die Frist des § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. anzuwenden gewesen sei; verbundene Verträge im Sinne des § 358 BGB a.F. lägen nicht vor, nicht zu beanstanden. Die diesbezüglichen Ausführungen werden mit dem Rechtsmittel auch nicht angegriffen.

5. Anderes gilt jedoch hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung in Bezug auf die Bezeichnung des Widerrufsempfängers nach Maßgabe der im Jahre 2007 geltenden Rechtslage, hier § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. Dabei kommt es darauf an, ob in der Widerrufsbelehrung die ladungsfähige Anschrift des Widerrufsempfängers angegeben werden musste oder ob die Angabe jeglicher postalischen Anschrift - und damit auch der Benennung eines Postfaches - ausreichte. Diese Frage kann im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten des Beklagten beantwortet werden.

a) Sie ist nicht aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten belanglos.

In der Widerrufsbelehrung ist als Hausanschrift des Widerrufsempfängers lediglich „An der Autobahn“ angegeben; die weiteren Angaben beziehen sich auf die Existenz eines Postfaches sowie dessen Nummer, die Nennung einer Postleitzahl sowie des Ortes. Als ladungsfähige Anschrift wäre die Hausanschrift nur ausreichend, wenn es in oder an dieser Straße oder diesem Weg keine Hausnummern gäbe und zudem die Postleitzahl diejenige der Hausanschrift, nicht des Postfachs wäre. Beides lässt sich nach dem beiderseitigen Parteivorbringen nicht feststellen. Der Beklagte hat bereits vor dem Landgericht (auf den Schriftsatz vom 21. August 2012 kommt es nicht mehr an) ausdrücklich geltend gemacht, unter der Straßenbezeichnung „An der Autobahn“ fänden sich in einem Telefonbuch jedenfalls zwei weitere Unternehmen unter den Hausnummern 1 sowie 21, beide unter der Postleitzahl 33334 und nicht der in der Widerrufsbelehrung genannten 33311. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Überdies hat sie sich zur Rechtfertigung der Fassung der Widerrufsbelehrung auch nicht darauf berufen, tatsächlich sei eine vollständige ladungsfähige Anschrift angegeben worden, sondern darauf, die Nennung des Postfaches habe ausgereicht.

b) Die vom Landgericht im vorliegenden Zusammenhang angestellte Überlegung ist nicht tragfähig.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Angabe der Anschrift „der Vertragspartnerin“ sei zutreffend gewesen; dass es dem Beklagten ohne weiteres möglich gewesen sei, seinen Widerruf unter der angegebenen Adresse zu erklären, zeige sich schon daran, dass sein Widerruf mit Schreiben vom 31. Oktober 2011 entsprechend erfolgt sei.

Die Überlegung des Landgerichts liefe darauf hinaus, dass bei Zweifeln an der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung wegen möglicherweise unzulänglicher Angaben zum Widerrufsempfänger der im Vertrag genannte Widerrufsempfänger einen späteren, nur noch bei Unwirksamkeit der Belehrung seinerseits wirksamen Widerruf, der ihn auf irgendeine Weise erreicht, lediglich gegen sich gelten lassen muss, um diese Widerrufserklärung gerade dadurch um ihre Rechtswirkung zu bringen. Denn nach dem landgerichtlichen Gedankengang spräche gerade der Umstand des faktischen Erhalts des Widerrufs für die Ordnungsgemäßheit der Widerspruchsbelehrung und damit gegen die Wirksamkeit des Widerrufs. So hat sich auch im vorliegenden Fall die Klägerin zunächst zum Erhalt des Widerspruchsschreibens durch die Zessionarin nicht gesondert geäußert und diesen erst mit der Beschwerdeerwiderung ausdrücklich eingeräumt; zu diesem Zeitpunkt ist indes bereits deutlich gewesen, dass der vorgenannte Umstand, die Beurteilung durch das Landgericht zugrunde gelegt, der Klägerin günstig sein könnte. Darüber hinaus unterstellt die hier abgelehnte Erwägung als selbstverständlich, dass ein zeitnah durch einen Verbraucher selbst erklärter Widerruf unter Verwendung der zum Widerrufsempfänger vorhandenen Angaben faktisch in gleicher Weise behandelt worden wäre wie ein nur bei Unwirksamkeit der Belehrung erheblicher, viel späterer Widerruf durch ein anwaltliches Schreiben; das versteht sich jedoch keineswegs von selbst.

c) Desweiteren kann auf sich beruhen, ob der Auffassung gefolgt werden könnte, der erneuten Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Widerrufsbelehrung bedürfe es dann nicht, wenn die Belehrung einen Teil der Vertragserklärungen bilde und in diesen die Anschrift bereits angegeben sei (MK-Masuch, BGB, 6. Aufl. 2012, § 360 Rdnr. 21 m.w.Nachw.). Denn so liegt es hier nicht.

Die in der Belehrung als Widerrufsempfängerin genannte juristische Person erscheint im gesamten Vertragstext lediglich ein weiteres Mal, und zwar wiederum allein mit den in der Belehrung erfolgten Angaben. Auch über den „Umweg“ seines Vertragspartners, so man einen solchen überhaupt für ausreichend erachten würde, konnte der Beklagte nicht weitergelangen. Denn wer sein Vertragspartner sei, geht aus dem gesamten Vertragstext nicht mit Deutlichkeit hervor. Die Widerrufsempfängerin wird - auch dies nur im Wege der Interpretation - an anderer Stelle als „Lieferfirma“ angesprochen; unterzeichnet ist das Vertragsformular von dem „Verlagspartner“ des Käufers; in welchem Verhältnis diese beiden zur Funktion des Verkäufers stehen sollen, bleibt unklar.

d) Nach alledem kommt es entscheidend darauf an, ob nach der im Jahre 2007 geltenden Rechtslage der Widerrufsempfänger mit seiner ladungsfähigen Anschrift zu bezeichnen war oder eine Postfachanschrift genügte.

Die vom Bundesgerichtshof (in: NJW 2002, S. 2391 ff.) vertretene Auffassung zu § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F., es genüge, wenn dem Verbraucher die Postfachanschrift mitgeteilt werde, war nach herrschender Meinung durch § 14 Abs. 1 und 4 BGB-InfoV a.F. überholt gewesen, denn danach musste die Widerrufsbelehrung die ladungsfähige Anschrift angeben (Staudinger-Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 355 Rdnr. 34 sowie Neubearb. 2012, § 360 Rdnr. 23; eingehend OLG Saarbrücken, Urteil vom 12. August 2010 in Sachen 8 U 347/09). Dieser Standpunkt wirkt sich zugunsten des Beklagten aus. Jedoch wurde er mit beachtlichen Erwägungen von einer abweichenden Ansicht bekämpft, die namentlich von einer Nichtigkeit des § 14 BGB-InfoV a.F. wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht ausging, weil sich jene Vorschrift nicht in Rahmen der Ermächtigungsgrundlage gehalten habe (vgl. Staudinger - Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2012, § 495 Rdnr. 35 m.w.Nachw.). Eine insoweit abschließende höchstrichterliche Entscheidung lag und liegt bislang - soweit ersichtlich - nicht vor.

Es tritt hinzu, dass angesichts der jetzigen Entscheidung BGH NJW 2012, S. 1065 f. zweifelhaft geworden ist, ob an der zuvor dargestellten herrschenden Meinung jedenfalls für den Bereich der - hier in Rede stehenden - Haustürgeschäfte festgehalten werden kann; dies bedürfte eingehender Betrachtung (ablehnend möglicherweise Staudinger - Kessal-Wulf a.a.O., Rdnr. 31). Nicht hingegen kann das vorbezeichnete höchstrichterliche Urteil ohne weiteres dahin verstanden werden, auch im gegebenen Fall sei die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift in der Widerrufsbelehrung nicht erforderlich gewesen.

Die Rechtsfrage ist damit insgesamt im Sinne des Prozesskostenhilferechts ungeklärt.

e) Das PKH-Verfahren dient nicht dem Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden. Insbesondere darf eine Unterinstanz - hier das Landgericht - die Erfolgsaussicht nicht verneinen, wenn eine schwierige entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht geklärt ist und es angebracht erscheint, dass eine höhere Instanz sich mit ihr befasst (BVerfG FamRZ 2007, S. 1876 f.; BVerfG NJW 2008, S. 1060 ff.). In diesem Sinne liegen die Dinge, wie gezeigt, im gegebenen Fall.

f) Danach aber lässt sich gegenwärtig eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Rechtsverteidigung des Beklagten gegen den von der Klägerin erhobenen Erfüllungsanspruch insgesamt nicht verneinen.

6. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren verbietet sich. Eine solche Zulassung darf nur wegen Fragen erfolgen, die die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien oder das Verfahren selbst betreffen - was hier beides ausscheidet; stößt hingegen das Gericht der Erstbeschwerde im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten auf grundsätzlich bedeutsame Probleme, muss es die Erfolgsaussicht bejahen und, falls die Partei bedürftig ist, PKH bewilligen (Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 127 Rdnr. 41 m.w.Nachw.).

Sonstige Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst.



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