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OLG Köln Urteil vom 18.09.2009 - I-6 U 79/09 - Werbung mit angeblicher Geschäftsaufgabe
OLG Köln v. 18.09.2009: Werbung mit angeblicher Geschäftsaufgabe
Das OLG Köln (Urteil vom 18.09.2009 - I-6 U 79/09) hat entschieden:
- Der Tatbestand des § 5 UWG knüpft an eine objektive Irreführung des Verkehrs an. Wird eine kalendarisch bestimmte Geschäftsaufgabe angekündigt, das Geschäft aber über den Stichtag weitergeführt, ist die Irreführung zu bejahen. Es kommt - anders als nach Nr. 15 der Schwarzen Liste - nicht darauf an, ob der Geschäftsinhaber zunächst eine entsprechende Aufgabeabsicht hatte oder nicht.
- Zielt ein Verfügungsantrag - nachdem der Gegner im monatlichen Abstand ein zweites Mal einen definitiven Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe annonciert, das Geschäft aber jeweils fortgeführt hat - darauf ab, dass derartige Werbeanzeigen zu unterlassen sind, so hat eine spätere Hauptsacheklage keinen anderen Streitgegenstand, wenn der dort gestellte Antrag (im Einklang mit der gerichtlichen Tenorierung im Eilverfahren) die Einschränkung enthält, das Verbot solle nur gelten, falls die Beendigung der gewerblichen Tätigkeit nicht beabsichtigt gewesen war.
Siehe auch Verschiedene Werbeaussagen und Stichwörter zum Thema Werbung
Gründe:
I.
Die Parteien sind Teppichhändler. Der Beklagte warb in einer Beilage zur Aachener Tageszeitung vom 28. Juni 2007 mit einer Anzeige, in der es im einleitenden Blickfang hieß:
Die letzten 6 Ausverkaufstage
ENDE! AUS! VORBEI!
Letzter Aufruf!
Darunter abgebildete Kalenderblätter wiesen die Daten der letzten Ausverkaufstage aus.
Am 30. August 2007 erschien die Anzeige ein weiteres Mal mit einem identischen Blickfangtext. Bis heute führt der Beklagte sein Geschäft fort.
Im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren hat das Landgericht durch Beschluss vom 11. September 2007 dem Beklagten aufgegeben, Werbeanzeigen mit dem streitgegenständlichen Inhalt zu unterlassen. Auf den Widerspruch des Beklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 07. November 2007 die einstweilige Verfügung bestätigt mit der Maßgabe, dass dem ausgesprochenen Unterlassungsgebot die Einschränkung
".... sofern der Antragsgegner tatsächlich die angekündigte Beendigung seiner gewerblichen Tätigkeit nicht beabsichtigt."
hinzugefügt wird.
Da der Beklagte trotz Aufforderung seitens des Klägers vom 13. März 2008 keine Abschlusserklärung abgegeben hat, verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsanspruch in der im Eilverfahren zuletzt tenorierten Fassung im Hauptsacheverfahren weiter.
Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Gegen das Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt und beantragt,
das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Er vertritt weiterhin die Ansicht, eine unlautere Irreführung liege nur vor, wenn er schon bei Schaltung der Anzeige vorgehabt hätte, sein Geschäft nicht aufzugeben. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Vielmehr habe er tatsächlich zunächst beabsichtigt, seine gewerbliche Tätigkeit einzustellen. Allerdings habe er die Geschäftsräume wider Erwarten nicht verkaufen können. Im übrigen sei ein etwaiger Unterlassungsanspruch verjährt. Das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz habe die Verjährung nicht unterbrochen, da es sich auf einen anderen Streitgegenstand bezogen habe. In dem ursprünglichen Vortrag des Klägers im Verfügungsverfahren sei nämlich von einer fehlenden Beendigungsabsicht des Beklagten keine Rede gewesen. Diese sei vielmehr erst durch einen Schriftsatz vom 26. Januar 2009 substantiiert vorgetragen worden.
Der Kläger beantragt – nach einem entsprechenden Senatshinweis -,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Tenor des Urteils des Landgerichts Aachen dahingehend geändert wird, dass es nach Einblendung des Textes der Werbeanzeige, der mit dem Satz "Letzter Aufruf" schließt, heißt: "Wenn nach Ablauf des letzten Tages der Verkauf in den alten Geschäftsräumen fortgesetzt wird."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die sämtlich – ebenso wie die beigezogene Akte Az. 42 O 125/07 LG Aachen – Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die beanstandete Werbung zu Recht als irreführend beurteilt.
1. Das in die Zukunft gerichtete Unterlassungsbegehren des Klägers, das auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, setzt voraus, dass das beanstandete Wettbewerbsverhalten des Beklagten zur Zeit der Begehung im Jahr 2007 einen Unterlassungsanspruch begründet hat und dass dieser auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage gegeben ist (st. Rsp; vgl. u.a. BGH GRUR 2008, 816, 817 – Ernährungsberatung, m.w.N). Das ist hier der Fall.
2. Die Anzeige des Beklagten vom August 2008 stellt eine Irreführung sowohl nach § 5 I i.V.m. II Nr. 2 UWG 2004 als auch auf der Grundlage des durch das am 30. Dezember in Kraft getretene UWGÄndR 2008 geänderten Irreführungstatbestandes (jetzt: § 5 I S. 2 Nr. 2 UWG 2008) dar. Der Beklagte hat in seiner Werbung unmißverständlich angekündigt, dass er sein Geschäftslokal mit Ablauf der nächsten 6 Verkaufstage definitiv schließen werde. Er hat aber entgegen seiner Ankündigung den Verkauf nach Ablauf des angegebenen Zeitraums in denselben Verkaufsräumen fortgesetzt. Damit hat er dem Irreführungsverbot zuwidergehandelt (vgl. Fezer/Peifer, UWG § 5 Rn. 319).
Für einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte schon bei Schaltung der Anzeige vor hatte, den Verkauf anschließend fortzusetzen oder ob er davon ausging, er werde seine gewerbliche Tätigkeit aufgeben. Der Irreführungstatbestand des § 5 UWG knüpft das Verbot allein an eine objektive Irreführung des Verkehrs. Wird zunächst eine Geschäftsaufgabe angekündigt, die später nicht stattfindet, ist eine solche Irreführung zu bejahen. Die Fehlvorstellung der Werbeadressaten tritt unabhängig davon ein, ob der Werbende eine entsprechende Aufgabeabsicht hatte oder nicht. Dafür spricht sowohl der Wortlaut des Irreführungstatbestandes, der allein an den objektiven Umstand der Irreführung anknüpft, als auch der Schutzzweck der Norm, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer vor Fehlvorstellungen zu bewahren. Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof wird ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht ausdrücklich nicht von subjektiven Voraussetzungen abhängig gemacht (vgl. BGH GRUR 2005, 778, 779 – Atemtest; BGH GRUR 2007, 800 Tz. 18 ff – Außendienstmitarbeiter).
Die vom Beklagten in der Berufungsverhandlung angeführte Kommentierung von Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm (a.a.O. Anhang zu § 3 III Rn. 15.2. f) zu Nr. 15 der Schwarzen Liste (Anhang zu § 3 III UWG) bestätigt diese Auffassung, denn anders als § 5 UWG fordert der für die Auslegung des nationalen Rechts maßgebliche Tatbestand der Nr. 15 der Schwarzen Liste der UGP-Richtlinie das Merkmal der fehlenden Aufgabeabsicht ausdrücklich im Wortlaut. Im Rahmen dieser Regelung muss daher tatsächlich zu der objektiven Unrichtigkeit der Angaben eine fehlende Aufgabeabsicht hinzukommen, damit das Verhalten unter das per-se Verbot fällt. Hier steht aber nicht ein Verstoß gegen Nr. 15 der Schwarzen Liste, sondern gegen § 5 UWG in Rede.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es im Streitfall auch nicht um eine Irreführung über den Räumungsgrund geht – womit sich die Kommentierung von Bornkamm a.a.O. UWG § 5 Rn 6.8 f. befasst – sondern um die unrichtige Angabe der Geschäftsschließung in einer Woche.
Da die Irreführung geeignet ist, die Verbraucher in ihrem Kaufverhalten maßgeblich zu beeinflussen, ist auch die Schwelle der Spürbarkeit i.S. von § 3 I UWG überschritten.
3. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht verjährt. Der Unterlassungsanspruch ist an dem Tag, an dem der Beklagte seine gewerbliche Tätigkeit entgegen seiner Ankündigung fortgesetzt hat, also am 01. September 2007 entstanden. Der Lauf der Verjährung wurde durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 10. September 2007 gehemmt. Die Hemmung endete gemäß § 204 II BGB sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 7. November 2007 (zugestellt am 14. November 2007), mithin am 14. Juni 2008. Ab diesem Zeitpunkt begann die Verjährungsfrist von sechs Monaten (abzüglich 9 Tagen, die schon abgelaufen waren) weiter zu laufen. Die am 17. Oktober 2008 eingereichte Klage ist damit rechtzeitig erhoben worden.
Der Auffassung des Beklagten, dem Hauptsacheverfahren liege eine anderer Streitgegenstand als dem Verfügungsverfahren zugrunde, so dass der ursprüngliche Verfügungsantrag die Verjährung nicht habe hemmen können, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Maßgeblich für die Bestimmung des Streitgegenstandes sind der Antrag und der vorgetragene Lebenssachverhalt (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. 2007, Kap. 46 Rn. 2 m. w. N.).
Der Kläger hat bereits in seiner damaligen Antragschrift vorgetragen, dass der Beklagte sein Unternehmen bis heute – und damit auch über den Aktionszeitraum hinaus – fortführt. Dies ist auch sein Petitum im Hauptsacheverfahren. Beiden Anträgen liegt somit derselbe Lebenssachverhalt und derselbe Irreführungsvorwurf zugrunde. Der Umstand, dass der ursprüngliche Antrag zu weit gefasst war, begründet keinen anderen Streitgegenstand. Vielmehr war der jetzige Antrag schon als Minus im Verfügungsantrag enthalten.
Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu dem von dem Beklagten zitierten Urteil des Bundesgerichtshof "Anschriftenliste" (GRUR 2006, 960). Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt war ein völlig anderer. Dort erforderte die nachträgliche Einfügung zusätzlicher Merkmale in den Klageantrag eine Prüfung von Sachverhaltselementen, auf die es zuvor nicht angekommen war. So liegen die Dinge hier nicht, denn der Kläger hat die fehlende Aufgabe des Geschäftsbetriebes nach Ablauf des Aktionszeitraums bereits in seinem Verfügungsantrag vorgetragen.
Auch das Urteil vom Landgericht Frankfurt vom 08. August 2008 - Az. 3-11 O 20/08, auf das der Beklagte sich beruft, vermag seine Rechtsauffassung nicht zu stützen. Im dortigen Verfahren hat der Kläger im Laufe des Verfahrens nicht nur seinen Klageantrag geändert, sondern auch einen geänderten Sachverhalt vorgetragen.
4. Die Kosten sind nach § 97 I ZPO dem Beklagten aufzuerlegen. Die Änderung des Tenors führt nicht zu einer Kostenteilung nach § 92 I ZPO, weil sie nur eine Richtigstellung der vom Landgericht ausgesprochenen Einschränkung des Verbotes und keine teilweise Klageabweisung darstellt. . Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es geht vorliegend lediglich um die Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärten Grundsätze der Anwendung des § 5 UWG.
Die Ausführungen des Beklagten zu dem angeblich jetzt entfallenen Wettbewerbsverhältnis der Parteien in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 09.09.2009 kann der Senat aus prozessualen Gründen nicht mehr berücksichtigen.