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Amtsgericht Berlin-Mitte Urteil v. 27.03.2007 - Az. 5 C 314/06 - Personenbezogenheit der IP-Adresse und Verwendung eines Tracking-Tools

AG Berlin-Mitte v. 27.03.2007: Personenbezogenheit der IP-Adresse und unzulässige Verwendung eines Tracking-Tools


Das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urt. v. 27.03.2007 - Az. 5 C 314/06) hat entschieden:

   Die IP-Adresse gehört zu den personenbezogenen Daten. Die Speicherung der IP-Adresse sowie des Surfverlaufs und -verhaltens durch den Betreiber einer Internetseite mit Hilfe eines sog. Tracking-Tools ist unzulässig.


Anmerkung:
Das Landgericht Berlin (Urt. v. 06.09.2007 - Az. 23 S 3/07) hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Amtsgerichts im wesentlichen bestätigt, hat aber die Speicherung von Einzelheiten des Surfverlaufs dann für zulässig gehalten, wenn die IP-Adresse des zugreifenden Hostproviders nicht gespeichert wird.





Siehe auch Die IP-Adresse


Zum Sachverhalt:


Mit der Klage verlangte der Kläger die Unter1assung der Speicherung personenbezogener Daten, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Internetportals des Bundesministeriums für Justiz www.bmj.bund.de gespeichert wurden. Bis zum 11.12.2006 wurde bei jedem Zugriff auf die genannte Internetseite eine Reihe von Daten für einen Zeitraum von 14 Tagen gespeichert, unter anderem die Internetprotokoll-Adresse (IPAdresse) des Nutzers.

Der Kläger behauptete, er habe das Internetportal des Bundesjustizministeriums mehrfach zu verschiedenen Zeiten besucht. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei nicht berechtigt. personenbezogene Daten des Klägers, wie zum Beispiel die IP-Adresse, über den Nutzungsvorgang hinaus zu speichern.

Der Kläger hat ursprünglich ebenfalls beantragt, die über seine Nutzung des Internetportals gespeicherten Daten zu löschen. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt zuletzt,

   die Beklagte zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, personenbezogene Daten des Klägers über die Nutzung des Internetportals http://www.bmj.bund.de über das Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs hinaus zu speichern.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung.

Sie war der Ansicht, dass dynamische IP-Adressen keine personenbezogenen Daten seien. Eine Speicherung sei aus Sicherheitsgründen notwendig gewesen. Angesichts der Änderung der Speicherungspraxis bestehe auch keine Wiederholungsgefahr mehr, so dass der Kläger auch aus diesem Grunde eine Unterlassung nicht verlangen könne.

Die Klage hatte Erfolg.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Klageantrag des Klägers auf Unterlassung ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger mit dem Begriff -personenbezogene Daten- diejenigen in der Klageschrift konkret aufgelisteten Daten meint, die seitens der Beklagten ursprünglich gespeichert wurden.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Speicherung personenbezogener Daten im Sinne des § 6 Abs. 1 TDDSG beziehungsweise im Sinne des ab dem 01.03.2007 in Kraft getretenen § 15 Abs. 1 Telemediengesetzes (TMG). Der Anspruch ergibt sich aus § 15 Abs. 4 TMG in Verbindung mit § 1004 8GB in entsprechender Anwendung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß der Art. 1 und 2 GG. Da die genannte Vorschrift des Telemediengesetzes beziehungsweise § 6 des außer Kraft getretenen Teledienstedatenschutzgesetzes auch als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sind. ergibt sich dieser Anspruch auch aus § 823 Abs. 28GB in Verbindung mit § 1004 BGB in entsprechender Anwendung.




Die Daten, die die Beklagte bis zum 11.12.2006 anlässlich der Nutzung des Internetportals des Bundesjustizministeriums 14 Tage speicherte (insbesondere auch die dynamische IP-Adresse) stellen nach zutreffender Ansicht personenbezogene Daten im Sinne des § 15 Abs. 1 TMG dar. Nach zutreffender Ansicht sind IPAdressen personenbezogene Daten; (vgl. LG Berlin, Urteil vom 10.11.2005,27 D 616/05 und des AG Darmstadt, Urteil vom 30.06.2005, 300 C 397/04; ebenso der Hessische Datenschutzbeauftragte, Orientierungshilfe zum Umfang mit personenbezogenen Daten bei Internetdiensten vom 18.01.2005, (www.datenschutz.hessen.delTb311K25P03.htm)an; Schmitz in Spindler/Schmitz/Geis, Kommentar zum TDG, § 1 TDDSG Rn. 26). Nach Auffassung des Gerichts gilt das auch im Verhältnis zur Beklagten und sonstigen Betreibern von Internetportalen, auf die Zugriff genommen werden kann, (so auch der Hessische Datenschutzbeauftragte aaO, a.A. zum Beispiel Schmitz in SpindlerlSchmitziGeis aaO).

Dynamische IP-Adressen stellen in Verbindung mit den weiteren von der Beklagten ursprünglich gespeicherten Daten personenbezogene Daten im Sinne des § 15 TMG dar, da es sich um Einzelangaben über bestimmbare natür1iche Personen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz handelt. Die EGRichtlinie 951461EG (Datenschutzrichtlinie Erwägungsgrunde) bestimmt unter Ziffer 26, dass bei der Entscheidung, ob eine Person bestimmbar ist, alle Mittel berücksichtigt werden müssen, die vernünftiger Weise entweder von dem Verantwortlichen für die Verarbeitung oder von einem Dritten eingesetzt werden können, um die betreffende Person zu bestimmen. Nach zutreffender Ansicht des Hessischen Datenschutzbeauftragten (aaO) ist es durch die Zusammenführung der personenbezogenen Daten mit Hilfe Dritter bereits jetzt ohne großen Aufwand in den meisten Fällen möglich, Internetnutzer aufgrund ihrer IP-Adresse zu identifizieren.

Eine Verneinung des Personenbezuges von dynamischen IP-Adressen mit der Folge der Nichtanwendbarkeit des TDDSG und TDSV, beziehungsweise jetzt des TMG und des TKG, hätte zur Folge, dass diese Daten ohne Restriktionen an Dritte z.B. den Access-Provider übermittelt werden könnten, die ihrerseits die Möglichkeit haben, den Nutzer aufgrund der IP-Adresse zu identifizieren, was mit dem Grundgedanken des Datenschutzrechts nicht vereinbar ist. Abgesehen davon wird die Rechtsauffassung der Beklagten insoweit nicht geteilt, als vorgetragen wird, dass eine Bestimmbarkeit der Person nur gegeben sei, wenn der Betroffene mit legalen Mitteln identifiziert werden könne. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass das Datenschutzrecht gerade vor dem Missbrauch von Daten schützen soll, so dass eine derartige Einschränkung des Begriffs der Bestimmbarkeit von Personen seitens des Gerichts als nicht gerechtfertigt erachtet wird.

Es bestand vorliegend auch keine Rechtsfertigung für die Speicherung der Daten seitens der Beklagten. § 15 Abs. 1, Abs. 4 TMG ist eine Speicherung zur Ermöglichung der Inanspruchnahme und zu Zwecken der Abrechnung zulässig; gemäß Absatz 8 der Vorschrift auch dann, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass entgeltliche Leistungen nicht oder nicht vollständig vergütet werden sollen. Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend gegeben. Eine Rechtfertigung für die Speicherung ergibt sich auch nicht aus § 9 BDSG. Zu Recht weist Schmitz in Spindler/Schmitz/Geis § 6 TDDSG Rn. 86 darauf hin, dass die Verweisung des TKG und des TDDSG auf den allgemeinen Teil des BDSG bezüglich § 9 BDSG nur so verstanden werden kann, dass diese Vorschrift die Umsetzung der Vorschriften des TKG bzw. des TDDSG bewirken soll und nicht deren Aufhebung.



Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO steht zur Überzeugung des Gerichts fest. dass der Kläger zumindest einmalig vor Änderung der Speicherungspraxis durch die Beklagte die Internetseite des Bundesjustizministeriums besucht hatte, was sich aus der e-Mail des Klägers vom 29.09.2006 (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 17.12.2006) entnehmen lässt. Denn dort wird Bezug genommen auf eine Rede der Bundesjustizministerin, die auf besagter Internetseite des Bundesjustizministeriums wiedergeben war. Die theoretisch bestehende Möglichkeit, dass die Informationen vom Kläger nicht über seinen Internetanschluss er1angt wurden, sondern dem Kläger von Dritten zur Verfügung gestellt wurden; der Kläger dennoch beruhend auf einer wahrheitswidrigen Behauptung. er habe selbst die Internetseite über seinen Internetanschluss besucht, ein Klageverfahren einleitet, wird als derart fernliegend erachtet, dass sie nicht geeignet ist, die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblich zu beeinflussen.

Die für die Begründetheit des Unterlassungsanspruches gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung erforderliche Wiederholungsgefahr wird vorliegend trotz der unstreitig erfolgten Änderung der Speicherungspraxis ab dem 11.12.2006 als gebeten erachtet. Durch die vorangegangene, nach Auffassung des Gerichts rechtswidrige Speicherungspraxis, wurde eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr begründet, (vgl. hierzu Palandt/Bassenge. 65. AufI. § 1004 Rn. 32 mit weiteren Nachweisen), an deren Widerlegung hohe Anforderungen zu stellen sind. Allein der Beklagten darauf. dass die Daten künftig nicht mehr gespeichert werden, da Angriffe auf die Internetseite durch andere Sicherungsmaßnahmen abgewendet werden könnten, wird zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht als ausreichend erachtet. Insoweit hätte es einer strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten bedurft, (vgl. Palandt aaO). ..."

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