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Landgericht Berlin Urteil vom 22.09.2010 - 97 O 55/10 - Zur Zulässigkeit der Benutzung von fremder Marken als Keywords in Google Adwords-Anzeigen

LG Berlin v. 22.09.2010: Zur Zulässigkeit der Benutzung von fremder Marken als Keywords in Google Adwords-Anzeigen


Das Landgericht Berlin (Urteil vom 22.09.2010 - 97 O 55/10) hat entschieden:
Eine Google-Adwords-Anzeige suggeriert keine wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber, wenn der Text nicht das der Marke gleichende Keyword enthält und sie nicht derart vage gehalten ist, dass der Nutzer nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder doch mit diesem wirtschaftlich verbunden ist. Bei der Würdigung des Anzeigeninhalts aus Sicht des Nutzers ist entscheidend zu berücksichtigen, dass dem Nutzer aufgrund der Angabe “Anzeigen” - im Unterschied zur Beeinflussung der Trefferliste mittels für ihn nicht sichtbarer Metatags - bekannt ist, dass derartige entgeltpflichtigen, ausschließlich der Werbung dienenden Veröffentlichungen von jedem Marktteilnehmer geschaltet werden können.




Tatbestand:

Die Parteien vertreiben Kontaktlinsen nebst Zubehör u. a. über das Internet. Der Kläger ist Inhaber der beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Wortmarke “…” für die in diesem Unternehmensbereich einschlägigen Warenklassen. Die unter der Bezeichnung “…” auftretende Beklagte schloss mit der Suchmaschine Google einen Vertrag über die Werbung mit so genannten Keyword-Advertising-Anzeigen. Gab der Nutzer der Suchmaschine “…” als Suchbegriff ein, erschien nachfolgend in schwarz-weißer Ablichtung wiedergegebenes Ergebnis:
[folgt eine Abbildung]
Ähnlich verhielt es sich bei dem Ausdruck für den vom Kläger als weiteren Suchbegriff eingeführten “www. … .de” bei Google (vgl. Ablichtung Anlage K 1).

Auf die Abmahnung des Klägers gab die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe ihre Marke als Keyword in ihrem Vertrag mit Google angegeben. Dies sei markenrechtswidrig, weil der Nutzer in Folge der gezielten Eingabe seiner Marke bei Betrachten der Anzeigen glaube, sie seien seine,- also solche des Markenrechtsinhabers. Ihm ständen Ansprüche aus der eingetragenen Marke und aus dem gleich lautenden Unternehmenskennzeichen zu. Die Beklagte spiegele den Nutzern vor, sie sei der gesuchte Geschäftspartner. Die Anzeigengestaltung, an die der Europäische Gerichtshof hohe Anforderungen stelle, vermag nicht zu entkräften, dass der Eindruck entstehen kann, die Beklagte stehe in Verbindung mit ihm. Allein die Nichterkennbarkeit, ob der Werbende mit dem Unternehmenskennzeicheninhaber wirtschaftlich verbunden ist, reiche aus. Bei der rechtlichen Beurteilung könne es keinen Unterschied machen, ob sich der Werbende eines Metatags zur Beeinflussung des Suchergebnisses selbst oder eines Keywords für die Platzierung einer Anzeige bedient. Zudem liege eine unlautere Behinderung unter dem Gesichtspunkt des Kundenfangs vor.

Er beantragt:
  1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen ihm aus der Nutzung der Bezeichnung “…” als AdWord im Aufruf von Google-Anzeigen im geschäftlichen Verkehr der Bundesrepublik Deutschland zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kontaktlinsenartikeln bereits entstandenen oder künftig noch entstehenden Schaden zu ersetzen.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, wie lange unter der Bezeichnung “…” als AdWord im Aufruf von Google-Anzeigen die Anzeige geschaltet war sowie über die Klickraten der Google-Anzeige, sowie schriftliche Belege hierüber vorzulegen.

  3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Umsätze sie durch die Bezeichnung “…” als AdWord im Aufruf von Google-Anzeigen erlangt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, die Marke des Klägers nicht in ihrem Vertrag mit Google angegeben zu haben. Die Suchmaschine biete eine Option “weitgehend passende Keywords” an, deren Auswahl dazu führe, dass bestimmte Keywords ohne Zutun des Werbenden zur Einblendung der Anzeige führen. Selbst wenn sie die Option gewählt hätte, so wäre der Kläger dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass “…” auf den entsprechenden Vorschlagslisten von Google enthalten gewesen sei. Sie meint, der Kläger könne sich auf seine Marken und Unternehmenskennzeichen nicht berufen. Es gebe keine Parallele zwischen Metatags und Keyword-Advertising. So sei aus seiner Anzeige erkennbar, dass sie nicht von “…”, sondern von “…” gemäß der Internetadresse stamme, zumal dies der Nutzer bei Aufruf seiner Domain sofort erkennt.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die auch im Feststellungsantrag zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger stehen wegen der in der Suchmaschine Google veröffentlichten Anzeigen nicht die geltend gemachten Folgeansprüche aus §§ 14, 15, 19 MarkenG oder §§ 9, 3, 4 Nr. 10 UWG gegen die Beklagte zu.

Markenrechtliche Ansprüche aus der eingetragenen Marke des Klägers oder einem Unternehmenskennzeichen nach §§ 14, 15 MarkenG scheiden aus, obwohl die Beklagte das Zeichen “…” in einer nach Auffassung der Kammer ihr zurechenbaren Weise in Verbindung mit ihr obliegenden Prüfungspflichten (vgl. BGH GRUR 2004, 860, 864 - Internetversteigerung I) im geschäftlichen Verkehr nutzte, weil das Zeichen als Schlüsselwort im Rahmen eines von ihr bei Google beauftragten Referenzierungsdienstes der Auslöser für das Erscheinen der Werbung war (vgl. EuGH GRUR 2010, 641, 642, TZ 17 f. - eis.de/BBY).

Die Beklagte nutzte aber die Marke bzw. das Unternehmenskennzeichen des Klägers nicht unter Verletzung deren Herkunftsfunktion. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof (a. a. 0) folgende Voraussetzungen genannt, deren Anwendung Sache des nationalen Gerichts ist:

Wird in der Anzeige des Dritten suggeriert, dass zwischen diesem Dritten und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht, wird auf eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion zu schließen sein (Urt. “Google und Google France”, Rdnr. 89).

Wenn die Anzeige das Bestehen einer wirtschaftlichen Verbindung zwar nicht suggeriert, hinsichtlich der Herkunft der fraglichen Ware oder Dienstleistungen aber so vage gehalten ist, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer auf der Grundlage des Werbelinks und der dazu gehörigen Werbebotschaft nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder doch mit diesem wirtschaftlich verbunden ist, wird ebenfalls auf eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion zu schließen sein (Urt. “Google und Google France”, Rdnr. 89).
Die Anzeige des Beklagten suggeriert keine wirtschaftliche Verbindung zwischen ihm und dem Markeninhaber. Ihr Text enthält nicht das Wort “...” oder eine Bezugnahme hierauf. Sie ist nicht so vage gehalten, dass der Nutzer nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder doch mit diesem wirtschaftlich verbunden ist.

Bei der Würdigung des Anzeigeninhalts aus Sicht des Nutzers ist entscheidend zu berücksichtigen, dass dem Nutzer aufgrund der Angabe “Anzeigen” - im Unterschied zur Beeinflussung der Trefferliste mittels für ihn nicht sichtbarer Metatags - bekannt ist, dass derartige entgeltpflichtigen, ausschließlich der Werbung dienenden Veröffentlichungen von jedem Marktteilnehmer geschaltet werden können. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat nichts dafür vorgetragen, dass bei von dem Rechteinhaber eines gesuchten Wortes oder eines mit ihm zusammen arbeitenden Unternehmens beauftragt wurden. Demgemäß verneinte der Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall des Keyword-Advertising eine Verwechselungsgefahr (vgl. BGH, GRUR 2009, 500, 502 - Beta Layout). Auch unter Berücksichtigung der im Anschluss ergangenen, oben zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird in der bislang hierzu veröffentlichten Literatur die Beibehaltung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausdrücklich befürwortet (vgl. Ohly, GRUR 2010, 276, 285). Eine klare Kennzeichnung der bezahlten Anzeigen vermeidet im Allgemeinen eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion, weil der Nutzer unter solchen Anzeigen regelmäßig Konkurrenten erwartet, was auch und gerade bei Branchenidentität gilt (so ausdrücklich Kammergericht, Urteil vom 26.09.2008, Az. 5 U 186/07).

Eine gezielte Behinderung im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 10 UWG kommt ebenso wenig in Betracht, weil das Eindringen in den Kundenkreis eines Mitbewerbers grundsätzlich erlaubt ist und die angeführten Umstände gegen und nicht für eine Ausnahme sprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.










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