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VGH Mannheim Urteil vom 11.02.2010 - 9 S 3331/08 - Zur Bedeutung von Produkthinweisen auf der Homepage des Herstellers und von Äußerungen Dritter im Internet

VGH Mannheim v. 11.02.2010: Zur Bedeutung von Produkthinweisen auf der Homepage des Herstellers und von Äußerungen Dritter im Internet


Das VGH Mannheim (Urteil vom 11.02.2010 - 9 S 3331/08) hat entschieden:
  1. Bei der Ermittlung des arzneimittelartigen Erscheinungsbilds eines Kräuterpräparates sind Produkthinweise auf der Homepage des auf der Verpackung ausgewiesenen Herstellers auch dann zu berücksichtigen, wenn die Internetadresse nicht angegeben und ein Link auf der Homepage des Verkäufers nicht gesetzt wird.

  2. Internetbeiträge unabhängiger Dritter können dem Verkäufer dagegen grundsätzlich nicht zugerechnet werden.



Siehe auch Gesundheitsprodukte und Stichwörter zum Theme Onlinehandel mit verschiedenen Produkten


Tatbestand:

Der Rechtstreit betrifft insbesondere die Frage, ob eine Kräutertee-Mischung durch ihre Internetpräsentation als Arzneimittel eingestuft werden kann. Die Klägerin wendet sich gegen ein vom Beklagten verfügtes Verkaufsverbot.

Die Klägerin vertreibt das in Kanada hergestellte Produkt „F... ...“ auf dem deutschen Markt. Dabei handelt es sich um eine in Portionsbeutel von 21 g abgefüllte Kräuterteemischung. Die Zutaten (Klettenwurzel, kleiner Sauerampfer, Ulmenrinde, Brunnenkresse, Benediktenkraut, Braunalge, Rotkleeblüten und Rhabarberwurzel) sind üblicherweise in Kräuter- oder Früchtetees nicht enthalten und führen zu einem leicht bitteren Geschmack. Ausweislich des Beipackzettels ist für die Zubereitung ein Beutel mit 1 ¼ l Trinkwasser aufzukochen und für 10 bis 12 Stunden ziehen zu lassen. Von dem so gewonnenen Teeauszug sollen 30 bis 60 ml (2 bis 4 Esslöffel) mit der gleichen oder doppelten Menge Trinkwasser verdünnt und am besten morgens vor dem Frühstück und abends vor dem Schlafengehen getrunken werden. Die Klägerin bietet die drei Beutel enthaltende Verkaufspackung, die nach ihren Angaben für 7-9 Wochen ausreicht, zum Preis von 25,90 EUR zum Verkauf an.

Durch verbindliche Zolltarifauskunft der Oberfinanzdirektion Nürnberg vom 13.08.1999 ist das Produkt in die Zollnomenklatur 2106909280 eingereiht und damit als Lebensmittel eingestuft worden. Auch der Beklagte bewertete das Produkt nach einer Begutachtung durch das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg vom 04.07.2000 als Lebensmittel, weil ihm eine therapeutische Wirkung nicht zukomme. Angesichts der Produktaufmachung und Bewerbung kam es im Folgenden jedoch zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der zutreffenden Einordnung der Kräuterteemischung. Auch über die pharmakologische Wirkung der Rhabarberwurzel konnte zwischen den Beteiligten keine Einigkeit erzielt werden. Ihre ursprünglich auf heilende Wirkung bezogene Werbung hat die Klägerin eingestellt. Auch der auf ihrer Homepage enthaltene Link auf die Website des kanadischen Herstellers ist entfernt worden. Dieser weist in englischer Sprache darauf hin, dass der Tee bedenkenlos während einer Strahlenbehandlung oder einer Chemotherapie eingenommen werden könne. In verschiedenen Internetforen wird „F... ...“ heilende Wirkung insbesondere in Bezug auf Krebserkrankung zugeschrieben. In einem Gutachten vom 13.05.2005 kam das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe zu dem Ergebnis, dass es sich bei „F... ...“ nach der materiellen Zusammensetzung, den Angaben im Beipackzettel, den Werbeaussagen auf der Website und der damit verbundenen überwiegenden objektiven Zweckbestimmung um ein Arzneimittel handele.

Mit Verfügung vom 07.11.2006 untersagte das Regierungspräsidium Freiburg der Klägerin daraufhin das In-Verkehr-Bringen von „F... ...“ gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes - AMG -. Zwar handele es sich bei dem Produkt nicht um ein Funktionsarzneimittel. Angesichts der Bestandteile, für die in Deutschland eine arzneilich geprägte Vorstellung bestehe, der Aussagen auf der Packungsbeilage sowie der Bewerbung im Internet müsse „F... ...“ jedoch als Präsentationsarzneimittel betrachtet werden. Dies folge auch daraus, dass im Zweifelsfall nach dem Strengegrundsatz der gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittel-Richtlinie das Arzneimittelrecht Anwendung finde. Im Übrigen sei das Produkt auch als Lebensmittel nicht verkehrsfähig, weil die krankheitsbezogene Werbung gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches - LFGB - verstoße und mit der Rhabarberwurzel einen nicht zugelassenen Lebensmittelzusatzstoff enthalte.

Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 19.02.2008 ab. Angesichts der Häufung verschiedener Kriterien und deren Zusammenwirken sei der Beklagte zu Recht vom Vorliegen eines Präsentationsarzneimittels ausgegangen. Dem stehe nicht entgegen, dass die - insbesondere auf die Krebsbekämpfung bezogene - Bewerbung Dritter der Klägerin nicht zugerechnet werden könne. Denn durch die ursprüngliche Bewerbung der Klägerin und von Dritten verfasste Internetbeiträge habe sich zwischenzeitlich eine Meinung des durchschnittlichen Verbrauchers gebildet, dass „F... ...“ Heilzwecken diene.

Die Klägerin hat hiergegen die vom Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 17.12.2008 (- 9 S 991/08 -) zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, „F... ...“ erfülle nicht die Tatbestandsmerkmale eines Arzneimittels. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Beklagte den rechtlichen Anknüpfungspunkt verkannt habe. Denn die Zweifelsregelung in Art. 2 Abs. 2 der Arzneimittelrichtlinie setze den positiven Nachweis der Arzneimitteleigenschaft voraus. Dieser liege im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht vor. Eine entsprechende Verkehrsauffassung des durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers könne nicht festgestellt werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts könne aus gesundheitsbezogenen Aussagen nicht auf eine Arzneimitteleigenschaft geschlossen werden. Dementsprechend habe der EuGH im Knoblauchkapsel-Urteil klargestellt, dass auch Lebensmittel der Gesundheitserhaltung dienen könnten. Selbst der Anschein eines Arzneimittels stehe der Lebensmitteleigenschaft nicht entgegen, wie sich aus § 11 Abs. 1 Nr. 4 LFGB ergebe. Folgerichtig könne aus den Anwendungs- und Dosierungsempfehlungen ebenfalls nicht auf das Vorliegen eines Arzneimittels geschlossen werden. Vielmehr seien entsprechende Verzehrempfehlungen etwa in § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Nahrungsergänzungsmittel-Verordnung sogar gesetzlich vorgeschrieben. Schließlich seien auch Warnhinweise für Lebensmittel nicht untypisch, wie sich etwa aus § 13 Abs. 1 Nr. 6 LFGB, §§ 20a, 21a Abs. 5 Nr. 2, 23 Abs. 3 Nr. 2, 24 Nr. 2 Diätverordnung, § 8 Abs. 8 Nr. 3 Mineral- und Tafelwasserverordnung oder § 2 Abs. 1 Satz 2 Essigverordnung ergebe. Schließlich folge auch aus dem verwendeten Begriff der „Charge“ kein Arzneimittelbezug, die Formulierung werde vielmehr auch im Lebensmittelbereich verwendet. Insgesamt lasse sich der Produktaufmachung daher nichts für eine arzneiliche Zweckbestimmung von „F...-...“ entnehmen.

Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht darüber hinaus die Arzneimittelqualifikation aus einer krankheitsbezogenen Bewerbung geschlossen. Dabei habe das Verwaltungsgericht bereits verkannt, dass eine Aussage nur dann krankheitsbezogen sei, wenn sie sich tatsächlich auf eine Krankheit beziehe. Die in der Urteilsbegründung herangezogenen Passagen, wonach „F... ...“ der Steigerung der körpereigenen Abwehrkräfte, der Regulierung des Stoffwechsels und der Entschlackung diene, bezögen sich jedoch gerade nicht auf krankhafte Zustände. Es handele es sich daher lediglich um gesundheitsbezogene Aussagen, die dem Tatbestand des § 12 Abs. 1 LFGB nicht zugeordnet werden könnten. Die in der Vergangenheit teilweise krankheitsbezogen erfolgte Bewerbung habe die Klägerin längst eingestellt. Schließlich ergebe sich aus §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 12 LFGB, dass aus krankheitsbezogenen Angaben allein eine Qualifikation als Arzneimittel nicht geschlossen werden könne. Soweit zur Rechtfertigung der Arzneimitteleigenschaft auf Internetaussagen Dritter verwiesen worden sei, werde verkannt, dass derartige Beiträge der Klägerin nicht zugerechnet werden könnten. Den Link zur Hersteller-Hompage habe die Klägerin aber von ihrer eigenen Website entfernt, nachdem sie auf dort anzutreffende krankheitsbezogene Angaben aufmerksam gemacht worden sei.

Soweit der Beklagte auf die stoffliche Zusammensetzung des Produkts - und insbesondere die Beifügung der Rhabarberwurzel - verwiesen habe, werde übersehen, dass die enthaltene Menge weit unter der pharmakologisch wirksamen Standarddosis liege. Angesichts der viel zu geringen Konzentration des Inhaltsstoffs könne daher selbst die enthaltene Rhabarberwurzel nicht mehr als Arzneimittel klassifiziert werden. Insbesondere aber verkenne der Beklagte, dass die Zutat Rhabarberwurzel nicht den Gesamtcharakter des beanstandeten Kräutertees präge. Insgesamt erfülle der von der Klägerin vertriebene Kräutertee „F... ...“ daher nicht die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme eines Arzneimittels, sodass die Untersagungsverfügung keinen Bestand haben könne. Dies ergebe sich im Übrigen auch aus europarechtlichen Erwägungen, weil das Produkt in Belgien zulässigerweise als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werde. Schließlich verstoße die Untersagungsverfügung auch gegen die Grundsätze der Welthandelsabkommen. Denn das streitgegenständliche Produkt „F...-...“ werde in Kanada zulässiger Weise hergestellt und in den Verkehr gebracht, sodass eine Untersagungsverfügung auch an Art. 2 Abs. 2 und 3 des sog. SPS-Übereinkommens zu messen sei. Den danach für eine Verbotsverfügung zu leistenden Erforderlichkeitsnachweis habe der Beklagte nicht geführt.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 19. Februar 2008 - 3 K 2149/06 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7. November 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend und verweist auf den gemeinschaftsrechtlichen Strengegrundsatz, wonach im Zweifelsfall die strengeren Vorschriften des Arzneimittelrechts zur Anwendung gelangen müssten. Die vorgetragenen Rügen der Klägerin würden dem erstinstanzlichen Urteil nicht gerecht, weil verkannt werde, dass sich die rechtliche Einordnung des von der Klägerin vertriebenen Produktes erst aus der Gesamtheit des vom Verwaltungsgericht beschriebenen Indizienbündels ergebe. Soweit sich die Klägerin gegen eine Zurechnung der Aussagen Dritter wende, sei diese vom Verwaltungsgericht gar nicht vorgenommen worden. Vielmehr habe das Verwaltungsgericht - zutreffend - die im Internet auffindliche Werbung und Produktbeschreibung lediglich als Indiz für eine bestehende Verkehrsanschauung herangezogen. Unabhängig hiervon gehe diese Einordnung jedoch auch auf ein unmittelbares Verhalten der Klägerin zurück. Insoweit könne bereits auf die Produktaufmachung verwiesen werden, in der beispielsweise auf eine „Wirkung“ von „F... ...“ verwiesen werde, die nur für Arzneimittel typisch sei. Unstreitig habe auch die Klägerin selbst den von ihr vertriebenen Kräutertee krankheitsbezogen beworben. Entgegen ihrer Darstellung propagiere sie auch heute noch die Heilwirkung des Kräutertees bei Krebs, die sie durch die Berufung auf die O...-Indianer und die Krankenschwester R... ... zu belegen suche. Gebe man in der Suchmaschine Google den Begriff „Krebs“ ein, so sei lange Zeit auf der rechten Seite sogar eine gewerbliche Anzeige der Klägerin erschienen. Auch heute noch finde sich ein Link auf Buchempfehlungen, in denen von krebsheilenden Wirkungen berichtet werde.

Soweit die Klägerin darauf verweise, dass die verwendete Menge an Rhabarberwurzel eine pharmakologische Wirksamkeit nicht entfalten könne, verkenne sie, dass es vorliegend nicht um die Einstufung als Funktionsarzneimittel gehe. Für die Einstufung als Präsentationsarzneimittel reiche es indes aus, dass der Inhaltsstoff zu einer arzneilich geprägten Verkehrsanschauung führe. Angesichts der Tatsache, dass der Tee unstreitig bitter und nicht wohlschmeckend sei, und unter Berücksichtigung des ungewöhnlich hohen Preises präsentiere sich „F... ...“ im Verständnis des Verbrauchers als Arzneimittel. Aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung ergebe sich nichts anderes, weil diese durchgängig anders gelagerte Konstellationen betreffe.

Dem Senat liegen die Behördenakten des Beklagten (2 Bände), die Akten des Verwaltungsgerichts sowie die Senatsakten vor, auf die wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.


Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene und den Anforderungen des § 124a Abs. 6 VwGO entsprechend erhobene Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da es sich bei dem von der Klägerin vertriebenen Produkt „F... ...“ nicht um ein Arzneimittel handelt. Die als Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt eines Regierungspräsidiums gemäß § 6a Satz 1 (jetzt § 15 Abs. 1 Satz 1) AG-VwGO a.F. ohne Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Grundlage der ergangenen Untersagungsverfügung ist § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394; zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990, berichtigt durch Gesetz vom 09.10.2009, BGBl. I S. 3578 - AMG -). Danach können die zuständigen Behörden - und damit das gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 der Pharmazie- und Medizinprodukte-Zuständigkeitsverordnung vom 17.10.2000 (GBl. S. 694; zuletzt geändert durch Verordnung vom 21.07.2006, GBl. S. 277) zuständige Regierungspräsidium - das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung nicht vorliegt. Da eine Zulassung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG für das von der Klägerin vertriebene Produkt nicht erteilt worden ist, lägen die Voraussetzungen der auf § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG gestützten Untersagungsverfügung deshalb vor, wenn es sich bei dem streitigen Kräutertee um ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG handeln würde.

Das Verwaltungsgericht hat diese Frage bejaht und das von der Klägerin vertriebene Produkt als Präsentationsarzneimittel eingestuft. Dieser Feststellung vermag sich der erkennende Senat in dem für die Entscheidung über einen Dauerverwaltungsakt nach § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.03.2004 - 3 C 16/03 -, NVwZ 2005, 87; Bay. VGH, Beschluss vom 24.08.2009 - 9 CS 09.1023 -, GewArch 2009, 497) nicht anzuschließen. Weder aus der Zweifelsfallregelung (1.) oder der Beigabe von Rhabarberwurzel (2.) noch aus der Bezeichnung, Produktgestaltung und Bewerbung durch die Klägerin (3.) oder durch Internetbeiträge Dritter (4.) lässt sich die Arzneimitteleigenschaft des von der Klägerin auf dem deutschen Markt in den Verkauf gebrachten Produktes begründen.

1. Die hier streitige Abgrenzung der Arzneimittel von den Lebensmitteln ist an Hand der gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbestimmung des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 der „Arzneimittel“-Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 06.11.2001 (ABl. EG Nr. L 311 S. 67 in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.03.2004, ABl. EG Nr. L 136 S. 34) vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5/09 -, NVwZ 2009, 1038), die auch dem Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG in der Neufassung des Änderungsgesetzes vom 17.07.2009 - trotz der teilweise unterschiedlichen sprachlichen Fassung - zu Grunde liegt (vgl. die Gesetzesbegründung in BR-Drs. 171/09, S. 65: „in das deutsche Recht überführt“; dazu auch Müller, NVwZ 2009, 425 [428]).

Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung führt die Zweifelsfallregelung aus Art. 2 Abs. 2 der Arzneimittel-Richtlinie 2001/83/EG - nach der in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von Arzneimitteln als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, die Arzneimittel-Richtlinie gilt - nicht dazu, dass die Anforderungen für eine Einordnung des Produkts als Arzneimittel abgesenkt würden. Vielmehr ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Vorrangregelung für das Arzneimittelrecht nur zur Anwendung kommt, wenn die Arzneimitteleigenschaft des Produktes festgestellt ist. Andernfalls würden die strengeren Vorschriften des Arzneimittelregimes auf Sachverhalte erstreckt und der freie Warenverkehr damit behindert, ohne dass hierfür eine ausreichende Rechtfertigung aus Gründen des Gesundheitsschutzes vorliegen würde (vgl. EuGH, Urteil vom 15.01.2009 - C-140/07 -, NVwZ 2009, 439).

Auch in der Begründung zur Neufassung des Arzneimittelgesetzes ist ausdrücklich klargestellt:
„Die Anwendung der Zweifelsfallregelung setzt die positive Feststellung der Arzneimitteleigenschaft des betreffenden Mittels voraus“ (BR-Drs. 171/09, S. 66).
Dementsprechend setzt die Umsetzung der Zweifelsfallregelung in § 2 Abs. 3a AMG bereits tatbestandlich ein Arzneimittel voraus.

Die Einordnung eines Produktes als Arzneimittel „auf Verdacht“ verbietet sich damit (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5/09 -, NVwZ 2009, 1038; ebenso bereits Urteil vom 25.07.2007 - 3 C 22/06 -, ZLR 2008, 80).

2. „F... ...“ kann nicht bereits durch die Beigabe von Rhabarberwurzel (oder anderer stofflicher Bestandteile) als Arzneimittel bewertet werden.

a) Art. 1 Nr. 2 der Arzneimittel-Richtlinie 2001/83/EG und § 2 Abs. 1 AMG enthalten für den Begriff des Arzneimittels alternativ zwei Definitionen. Zum einen sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind. Zum anderen sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Diese zweifache Definition nimmt die seit langem das Arzneimittelrecht kennzeichnende Unterscheidung zwischen den sog. Präsentationsarzneimitteln (Arzneimittel nach Bezeichnung) und den Funktionsarzneimitteln (Arzneimittel nach Funktion) auf.

b) Dass dem Kräutertee eine pharmakologische Wirkung zukommen würde - die Voraussetzung für die Einordnung als Funktionsarzneimittel nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2001/83/EG wäre -, hat der Beklagte selbst nicht behauptet.

Anhaltspunkte hierfür sind trotz der in „F... ...“ enthaltenen Bestandteile von Rhabarberwurzel auch nicht ersichtlich. Nach den vorhandenen Erkenntnissen unterschreitet die in dem Produkt enthaltene Menge vielmehr den zur Erzielung einer nennenswerten physiologischen Wirkung erforderlichen Grenzwert erheblich. Auf die Frage, ob das Erzeugnis in einer höheren als der auf dem Beipackzettel angegebenen Dosierung pharmakologische Wirksamkeit entfaltet, kommt es für die Beurteilung der Arzneimitteleigenschaft aber nicht an (vgl. EuGH, Urteil vom 30.04.2009 - C-27/08 -, NVwZ 2009, 967). Weitere Sachverhaltsermittlungen zur Frage der pharmakologischen Wirkung des Produkts sind damit nicht angezeigt.

c) Ob für Rhabarberwurzel in Deutschland eine arzneilich geprägte Verkehrsanschauung besteht, wie vom Beklagten vorgetragen, oder der Stoff überwiegend als geschmacksbildende Lebensmittelzutat im Umlauf ist, wie von der Klägerin behauptet, kann im Ergebnis offen bleiben.

Denn eine entsprechende Verkehrsanschauung für Rhabarberwurzel könnte nur dann zur Einstufung von „F... ...“ als Präsentationsarzneimittel herangezogen werden, wenn die heilende Wirkung des Bestandteils nach der Verbrauchererwartung bei der Würdigung des Gesamtprodukts so im Vordergrund stehen würde, dass für dieses ebenfalls von einer krankheitsheilenden Zweckbestimmung auszugehen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2000 - I ZR 158/98 -, NJW-RR 2001, 1329, Rn. 32). Der Verwendungszweck eines einzelnen Wirkstoffes kann daher grundsätzlich nicht mit dem Anwendungszweck einer aus mehreren Stoffen bestehenden Zubereitung gleichgesetzt werden, so dass es sich als unzulässige Verfahrensweise erweist, einen einzelnen Bestandteil herauszugreifen und allein ihn darauf zu untersuchen, ob er nach der Verkehrsauffassung krankheitsheilende Wirkung besitzt.

Eine Tatsachengrundlage für die Annahme, trotz der geringen Dosierung und der nicht im Vordergrund stehenden Bewerbung mit dem Inhaltsstoff der Rhabarberwurzel präge dieser Bestandteil das Gesamtprodukt (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 16.05.2007 - 3 C 34/06 -, NVwZ-RR 2007, 771, Rn. 24 f.), ist indes weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3. Entgegen der vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung kann das von der Klägerin vertriebene Produkt auch nicht wegen der Etikettierung, Produktaufmachung oder Bewerbung als Präsentationsarzneimittel eingeordnet werden.

Ein Produkt erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (vgl. EuGH, Urteil vom 15.11.2007 - C-319/05 -, Slg. 2007, I-9811, Rn. 46; BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5/09 -, NVwZ 2009, 1038).

a) Der Tatsache, dass „F... ...“ in Belgien als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden kann, kommt für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Denn eine europaweite Vollharmonisierung hat im Arzneimittelsektor noch nicht stattgefunden, so dass unterschiedliche Einstufungen eines Erzeugnisses durch verschiedene Mitgliedstaaten im gegenwärtigen Stand durchaus möglich sind (vgl. EuGH, Urteil vom 15.01.2009 - C-140/07 -, NVwZ 2009, 439 Rn. 28). Im Übrigen knüpft die Einordnung eines Produkts als Präsentationsarzneimittel an die jeweiligen Verkaufsmodalitäten an, die sich einzelfallbezogen unterscheiden können.

Ebenso wenig kommt der Einstufung im Rahmen des Gemeinsamen Zolltarifs präjudizierende Wirkung zu. Denn entscheidende Kriterien für die tarifliche Einordnung sind (im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit) grundsätzlich objektive Eigenschaften und Merkmale; Aussagen über die für die Zuordnung zum Präsentationsarzneimittel maßgebliche Vermarktung enthält eine Zolltarifauskunft dagegen nicht (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand: 03/09, § 2 Rn. 14).

b) Von der Klägerin selbst wird „F... ...“ nicht als Arzneimittel, sondern als „Kräutertee“ bezeichnet. Es ist daher nicht davon auszugehen, ein verständiger Durchschnittsverbraucher werde annehmen, dass ein als Tee angebotenes Produkt tatsächlich ein Arzneimittel sei, wenn ihm in der empfohlenen Dosis keine pharmakologische Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 3 C 21/06 -, Rn. 40 für Nahrungsergänzungsmittel).

Trotz der Bezeichnung können aber andere Umstände hinzutreten, die ein Produkt gleichwohl als Arzneimittel erscheinen lassen, namentlich die Art der Bewerbung oder die preisende Nennung von (vermeintlich) arzneilich wirksamen Bestandteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.2007 - 3 C 34/06 -; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand: 03/09, § 2 Rn. 22).

c) Für ein arzneimittelartiges „Erscheinungsbild“ (vgl. Rennert, NVwZ 2008, 1179 [1182]) reicht es entgegen der Auffassung des Beklagten indes nicht aus, dass einem Produkt nach allgemeiner Verkehrsanschauung gesundheitsbezogene Wirkungen zugeschrieben werden. Vielmehr wird ein Produkt nur dann als Arzneimittel „präsentiert“, wenn es auf dem Etikett, durch die Angaben auf der Verpackung oder in sonstiger Weise den Eindruck erweckt, dass es Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten besitzt. Für den erforderlichen Heilmittelbezug genügt es daher nicht, dass einem Erzeugnis Eigenschaften zugeschrieben werden, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind. Es muss vielmehr gerade um die Funktion der Verhütung oder Heilung von menschlichen Krankheiten gehen (vgl. EuGH, Urteil vom 15.11.2007 - C-319/05 -, Slg. 2007, I-9811, Rn. 45 und 64). Bezugspunkt der Arzneimitteleigenschaft ist damit eine Abweichung vom normgemäßen Funktionieren des Organismus und damit eine angestrebte Wirkungsweise, die zu einer Veränderung führt, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 3 C 22/06 -, ZLR 2008, 80, Rn. 22).

Ein derartiger Heilmittelbezug ist den Angaben auf der Verpackung nicht zu entnehmen. Auf dem Etikett wird „F... ...“ nicht als Arzneimittel, sondern als „Kräutertee-Auszug“ bezeichnet. Irgendwie geartete Anhaltspunkte für eine Heilmittelwirkung enthält die Verpackung nicht. Dass die bloße Wiedergabe des Fotos einer Pflanze auf der Verpackung eines Erzeugnisses nicht genügt, um bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher ein Vertrauen wie dasjenige hervorzurufen, das Arzneimittel normalerweise erwecken, hat der Europäische Gerichtshof bereits ausdrücklich entschieden (EuGH, Urteil vom 15.11.2007 - C-319/05 -, Slg. 2007, I-9811 Rn. 50). Gleiches gilt aber auch für die Berufung auf die „uralte Kräuterweisheit der O...-Indianer Kanadas“ und die „lange Beschäftigung auf dem Gebiet der Kräuter und Pflanzen“ von C... ... und R... .... Denn die Inanspruchnahme dieses Erfahrungsschatzes ist nicht auf heilende oder verfügende Funktionen bezogen, die Verpackung verweist insoweit lediglich auf „wohltuende Kräutertees“. Die Bezugnahme auf Erfahrungen und Autoritäten weist daher keinen Bezug zu arzneimittelbezogenen Eigenschaften auf (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 13.12.2007 - 9 S 509/07 -, GewArch 2008, 318). Im Übrigen sind die in Kanada offenbar populären Persönlichkeiten, die den Tee erfolgreich bei der Krebsbehandlung eingesetzt haben sollen, hier zu Lande wenig bekannt.

Entsprechendes gilt für den dem Produkt beigefügten Beipackzettel. Hier wird „F... ...“ zwar als „wichtiger Beitrag zur täglichen Gesundheitspflege“ angepriesen und eine Förderung des gesunden Stoffwechsels und die Steigerung der körpereigenen Abwehrkräfte in Aussicht gestellt. Mit diesen Anpreisungen wird eine den Arzneimitteln vorbehaltene Wirkungsweise jedoch nicht in Anspruch genommen. Vielmehr wird lediglich eine der Gesundheit im Allgemeinen förderliche Wirkung behauptet, die zur Begründung der Arzneimitteleigenschaft gerade nicht ausreicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im Beipackzettel angebrachten Warnhinweis, wonach es erfahrungsgemäß vorkommen könne, dass manche Personen stark auf die Wirkung von „F... ...“ reagieren und es daher zu empfehlen sei, mit geringeren Mengen zu beginnen. Zu Recht hat die Klägerin vielmehr darauf hingewiesen, dass derartige Warnungen - insbesondere in Bezug auf die Dosierung - für Lebensmittel nicht untypisch und damit nicht geeignet sind, den Anschein eines Arzneimittels hervorzurufen. Auch die Verwendung des Begriffs der „Charge“ führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher hierdurch der Eindruck erweckt werde, es müsse sich um ein Arzneimittel handeln. Dies gilt umso mehr, als in der konkreten Verwendungsweise der Begriff „Charge“ unmittelbar auf „Kräutertees“ bezogen wurde und ein direkter Arzneimittelbezug daher nicht suggeriert worden ist. Im Übrigen wird die Formulierung auch in lebensmittelrechtlichen Vorschriften und - wie dem Senat gerichtsbekannt - durch den Beklagten selbst in lebensmittelrechtlichen Verfügungen verwendet.

Ohne Arzneimittelbezug ist schließlich der Internetauftritt der Klägerin. Auch hier wird lediglich auf die „Gesunderhaltung“ und das „Wohlbefinden“ abgestellt und eine krankheitsbezogene Heilungs- oder Verhütungswirkung damit nicht in Aussicht gestellt. Verlinkungen zu anderen Websites, die das von der Klägerin vertriebene Produkt in einen Heilmittelkontext stellen würden, sind auf der Homepage gegenwärtig nicht enthalten. Auch die vom Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Buchempfehlungen - die einen Stand vom 05.05.2008 aufweisen - sind in der aktuellen Fassung nicht mehr enthalten.

d) Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin Aufmachung und Gestaltung des Beipackzettels noch im vorgerichtlichen Verfahren geändert und krankheitsbezogene Angaben aus der Etikettierung entfernt hat (vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.11.2008 - 5 B 18/06 -; Kloesel/ Cyran, Arzneimittelrecht, Stand: 03/09, § 2 Rn. 22).

Während auf der ursprünglichen Packungsbeilage (Bl. 3 der Behördenakte) noch von einem „alten, indianischen Heilmittel-Rezept“, von „Heilpflanzen“ und von einem „heilenden Stoff“ gesprochen und eine „Entgiftung auf allen Körperebenen“ angepriesen worden ist, sind diese heilbezogenen Aussagen in der gegenwärtigen Vermarktung durch die Klägerin durchgängig vermieden. Die Produktgestaltung bietet in ihrer gegenwärtigen Aufmachung daher keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für eine spezifisch arzneimittelartige Verbrauchererwartung.

Im für die Beurteilung der auf § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG gestützten Verfügung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung geben die Umstände der Vermarktung des Produktes durch die Klägerin daher - auch in ihrer Gesamtheit - keinen hinreichenden Anlass, vom Vorliegen eines Arzneimittels nach der Präsentation auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihre Bewerbung künftig ändern könnte, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen stünden dem Beklagten insofern auch auf lebensmittelrechtlicher Grundlage Verbotsanordnungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 oder § 11 Abs. 1 Nr. 4 LFGB zur Verfügung.

4. Die vorhandenen Erkenntnismittel lassen auch nicht den Schluss zu, dass durch die vorhandenen Internetbeiträge Dritter - unabhängig von Produktaufmachung und Bewerbung durch die Klägerin - bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher der Eindruck entsteht, „F... ...“ müsse arzneimittelartige Eigenschaften haben.

a) Allerdings muss sich die Klägerin „Verhaltensweisen, Initiativen und Maßnahmen des Herstellers“, die bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher den Eindruck hervorrufen, bei dem in den Verkehr gebrachten Erzeugnis handle es sich um eine Arzneimittel, zurechnen lassen. Dies gilt selbst dann, wenn entsprechende Mitteilungen vom Hersteller erst auf Anfrage zugesandt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 28.10.1992 - C-219/91 -, Slg. 1992, I-5485, Rn. 26 und 28). Auch wenn ein Link zum Hersteller auf der Homepage der Klägerin nicht mehr gesetzt und die Internetadresse des Herstellers auf der Produktverpackung nicht mehr angebracht ist, sind die auf der Homepage des Herstellers auffindbaren Produkthinweise deshalb zu berücksichtigen. Denn auf der Verpackung ist der Name des Herstellers angegeben und damit ein ausreichender Hinweis gegeben, um sich bei diesem Informationen über die Eigenschaften des Erzeugnisses zu beschaffen. Das Aufrufen der Internet-Website des Herstellers steht der vom Europäischen Gerichtshof ausdrücklich entschiedenen Fallkonstellation der schriftlichen Nachfrage beim Hersteller insoweit gleich.

Die damit bei der Beurteilung zu berücksichtigenden Herstellerhinweise geben indes nichts für die Einordnung von „F... ...“ als Präsentationsarzneimittel her. Heileigenschaften oder arzneimittelartige Wirkungen werden dort nicht beansprucht. Vielmehr findet sich bei der „Label Information“ lediglich der Hinweis, dass „F... ...“ auch bei einer Chemotherapie oder Strahlenbehandlung eingenommen werden könne („F... ... can safely be taken during chemotherapy or radiation treatment“). Damit sind zwar Assoziationen zu Krebskrankheiten verbunden, heilende Wirkung wird dem Tee indes nicht zugeschrieben. Auf die Frage, inwieweit die in englischer Sprache verfassten Internet-Beiträge geeignet sind, Verbrauchererwartungen deutscher Kunden zu begründen, kommt es daher nicht an.

b) Darüber hinausgehende Aussagen Dritter in Internetforen oder ähnlichem, auf die die Klägerin weder Bezug nimmt noch Einfluss hat, können ihr dagegen nicht zugerechnet werden.

Zwar ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hierzu nicht ganz eindeutig, weil es lediglich ausgeführt hat, der Einwand, nicht für beliebige Veröffentlichungen in die Verantwortung genommen werden zu können, gelte „jedenfalls“ nicht für die eigenen und die Produktbeschreibungen des Herstellers, dessen Internetadresse auf dem Verpackungsetikett angegeben sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5/09 -, NVwZ 2009, 1038, Rn. 23). Die Beschränkung auf ein zurechenbares Verhalten des Herstellers oder Verkäufers lässt sich aber aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ableiten. Denn Anknüpfungspunkt für die Verkehrsanschauung des durchschnittlich informierten Verbrauchers ist danach, dass das fragliche Erzeugnis „in Anbetracht seiner Aufmachung“ eine arzneimittelartige Wirkung haben müsse (ständige Rechtsprechung seit EuGH, Urteil vom 30.11.1983 - C-227/82 -, Slg. 1983, 3883, Rn. 18). Bezugspunkt der „Präsentation“ oder „Bestimmung“ ist demnach die „Aufmachung“ und damit ein dem Hersteller oder Verkäufer zurechenbares Verhalten.

Eine andere Interpretation hätte zur Folge, dass dem Produkt die Verkehrsfähigkeit genommen würde, ohne dass der Klägerin eine unmittelbare Reaktion hierauf möglich wäre. Denn angesichts der fehlenden therapeutischen Wirksamkeit könnte eine Arzneimittelzulassung wohl nicht erreicht werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 3 C 22/06 -, ZLR 2008, 80, Rn. 26), die Beseitigung des arzneimittelartigen Erscheinungsbildes - die für den Vertrieb als Lebensmittel erforderlich wäre - steht der Klägerin mangels eigener Veranlassung oder Beherrschbarkeit aber ebenfalls nicht zur Verfügung. Sie wäre deshalb allein darauf verwiesen, durch entsprechende Werbeaussagen oder Produktgestaltungen dem - unabhängig von ihrem Verhalten - entstandenen Erscheinungsbild eines Arzneimittels entgegenzutreten. Ob eine derartige Obliegenheit als verhältnismäßige Ausgestaltung ihres Rechts auf berufliche Betätigung erachtet werden könnte, erscheint fraglich. Jedenfalls bis zum Erfolg derartiger Maßnahmen unterfiele das Produkt einem Verkaufsverbot, dessen Rechtfertigung Mühe bereiten würde. Der Zweck der Einbeziehung wirkungsloser Produkte in den Arzneimittelbegriff besteht gerade in dem Risiko der Verwendung eines wirkungslosen Präparates anstelle der geeigneten Heilmittel (vgl. Senatsbeschluss vom 13.12.2007 - 9 S 509/07 -, GewArch 2008, 318). Durch die Inanspruchnahme heilender Wirkungen kann zur Verwendung des vermeintlichen Arzneimittels angeregt und der Verbraucher damit in die Irre geführt werden, wenn die Erzeugnisse nicht die Wirksamkeit besitzen, welche die Verbraucher nach ihrer „Präsentation“ von ihnen erwarten dürfen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 15.01.2009 - C-140/07 -, NVwZ 2009, 439, Rn. 25). Derartiges steht beim Konsum eines Kräutertees bei Krebserkrankungen aber kaum zu befürchten.

Die Frage bedarf vorliegend aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst bei Berücksichtigung der allgemein zu „F... ...“ im Internet auffindbaren Beiträge kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher „mit Gewissheit“ der Eindruck einer krankheitsheilenden oder -verhütenden Wirkung des Produkts entsteht. Zwar finden sich im Internet durchaus Einträge, in denen „F... ...“ krebsheilende oder jedenfalls förderliche Wirkung im Rahmen einer Krebsbehandlung zugeschrieben wird. Diesen stehen jedoch nicht minder zahlreiche Veröffentlichungen gegenüber, in denen eine entsprechende Wirksamkeit bestritten oder jedenfalls in Zweifel gezogen wird. Bei einer von einem durchschnittlich informierten Verbraucher durchgeführten Internetrecherche zur krebsheilenden Wirkung von „F... ...“ müsste daher der Eindruck entstehen, dass stichhaltige Belege und Studien für eine entsprechende Wirksamkeit fehlen, in einzelnen Fällen gleichwohl von einer positiven Wirkung berichtet wird, die andere Berichte in Abrede stellen. Auch bei Berücksichtigung der allgemein im Internet auffindbaren Beiträge zu „F... ...“ entsteht daher nicht „mit Gewissheit“ der Eindruck einer heilenden oder krankheitsverhütenden Wirkung. Trotz gelegentlicher anpreisender oder „heilversprechender“ Beiträge erscheint das bei einer Internetrecherche anzutreffende Bild vielmehr hinreichend differenziert, so dass von einem mit Gewissheit entstehenden Eindruck einer arzneimittelartigen Wirkung nicht gesprochen werden kann.

Angesichts der damit fehlenden Arzneimitteleigenschaft des von der Klägerin vertriebenen Produktes „F... ...“ liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die auf § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG gestützte Untersagungsverfügung nicht vor. Dies gilt auch angesichts des Beklagtenvortrags in der mündlichen Verhandlung, wonach krebskranke Menschen in ihrer Not besonders leicht zu beeinflussen seien und ihre Hoffnung in unwirksame „Heilmittel“ setzten.


II.

Die Untersagungsverfügung erweist sich auch nicht im Hinblick auf die hilfsweise angestellten Erwägungen zum Lebensmittelrecht als rechtmäßig.

Dies folgt zunächst schon daraus, dass diese Ausführungen den ausdrücklich auf § 69 Abs. 1 Nr. 1 AMG bezogenen Tenorausspruch der Untersagungsverfügung nicht zu tragen vermögen. Auch die Bezeichnung der Erwägungen als „Hilfsgutachten“ lässt nicht erkennen, dass der Behörde ein vom Arzneimittelrecht unabhängiger Regelungswille zukam. Aus der maßgeblichen Sicht des objektivierten Empfängerhorizontes erweisen sich die Darlegungen nicht als alternative und eigenständig tragende Begründung einer ausschließlich auf das Lebensmittelrecht gestützten Verfügung, sondern nur als ergänzende Abstützung einer arzneimittelrechtlichen Entscheidung. Hierfür spricht auch, dass in dem Bescheid nur ausgeführt wurde, das Inverkehrbringen des Produkts „könnte“ im Falle der Lebensmitteleigenschaft auch gemäß § 39 Abs. 2 LFGB verboten werden. Eine bereits getroffene Regelung lässt sich hieraus nicht entnehmen.

Dementsprechend finden sich in dem Bescheid auch keine Ausführungen zur Zuständigkeit des Regierungspräsidiums. Grundsätzlich sind zum Vollzug des Lebensmittelrechts aber gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. §§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 4 AG-LMBG und § 15 Abs. 1 LVG die Landratsämter und Stadtkreise berufen. Das Regierungspräsidium könnte nach §§ 19 Abs. 2, 18 Abs. 3 AG-LMBG nur dann zur Entscheidung befugt sein, wenn die Aufgabe in die Dienstbezirke mehrerer nachgeordneter Lebensmittelüberwachungsbehörden fiele und daher sachgerecht nur einheitlich wahrgenommen werden könnte. Hierzu ist indes nichts vorgetragen.

Jedenfalls aber rechtfertigen die hilfsgutachtlich angestellten Erwägungen auch keine auf § 39 Abs. 2 LFGB gestützte Untersagung. Selbst wenn eine gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB verstoßende krankheitsbezogene Werbung vorliegen sollte, rechtfertigte diese in Ansehung des in § 39 Abs. 2 LFGB ausdrücklich aufgenommenen („notwendige Anordnungen“ soweit sie „erforderlich“ sind) Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kein Inverkehrbringens-Verbot. Auch die Voraussetzungen der §§ 6 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 3 LFGB sind jedenfalls nicht fehlerfrei dargelegt. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen würden den Nachweis verlangen, dass die Rhabarberwurzel in „F... ...“ nicht zu Würzzwecken, sondern aus technologischen Gründen zugesetzt wird. Substantiierte Anhaltspunkte hierfür enthält der Bescheid indes nicht.

Der angefochtene Bescheid des Regierungspräsidiums ist daher aufzuheben und das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Klärung des Arzneimittelbegriffs und der Zweifelsfallregelung in der obergerichtlichen Rechtsprechung keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.



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