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Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 24.09.1987 - 1 BvR 970/87 - Zur Verfassungsmäßigkeit des Volkszählungsgesetzes 1987

BVerfG v. 24.09.1987: Nichtannahmebeschluss zur Verfassungsbeschwerde zur Verfassungsmäßigkeit des Volkszählungsgesetzes 1987


Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 24.09.1987 - 1 BvR 970/87) hat entschieden:
  1. Die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben über die rechtliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft verstößt nicht gegen das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) und begegnet auch sonst keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

  2. Prüfungsmaßstab für die Verfassungsgemäßheit eines Gesetzes ist das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht, wie es durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 - Volkszählungsurteil - für die Durchführung statistischer Erhebungen konkretisiert wurde. Nach diesen Grundsätzen, die nach wie vor Geltung haben, hat der Gesetzgeber für die notwendigen Sicherungsvorkehrungen zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Sorge zu tragen, ohne selbst alles regeln zu müssen; namentlich sind die Wahrung des Statistikgeheimnisses und des Gebotes möglichst frühzeitiger (faktischer) Anonymisierung, verbunden mit Vorkehrungen gegen eine Reanonymisierung, durch Organisation und Verfahren zuverlässig sicherzustellen.

  3. Aus dem allgemeinen Hinweis auf noch fehlende Auswertungsprogramme kann nicht hergeleitet werden, derzeit sei die Heranziehung zur Auskunftspflicht verfassungswidrig, weil die Datenverarbeitung bei den statistischen Landesämtern undurchschaubar und die Beachtung der zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung notwendigen Löschungs-, Anonymisierungs- und Abschottungsregelungen nicht gesichert sei. Innerhalb des vom Gesetz gezogenen Rahmens obliegt es den mit der Durchführung der Volkszählung betrauten Stellen, unter deren Beteiligung und kontrolliert auch durch die unabhängigen Datenschutzbeauftragten, die zur (grund)rechtsschützenden und -wahrenden Durchführung erforderlichen technischen und organisatorischen Hilfsmittel und Maßnahmen rechtzeitig zu entwickeln und zu ergreifen.




Siehe auch Datenschutz


Gründe:

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität gehalten sein könnte, vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts das verwaltungsgerichtliche Verfahren in der Hauptsache durchzuführen. Die Verfassungsbeschwerde hat jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie gibt keinen Anlass zur erschöpfenden Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über eine Volks-, Berufs-, Gebäude-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1987) vom 8. November 1985 (BGBl. I S. 2078) oder des Vollzuges dieses Gesetzes. Zu entscheiden ist allein über die mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Einwände. Diese greifen nicht durch.

1. Die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben über die rechtliche Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft verstößt nicht gegen das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) und begegnet auch sonst keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGE 65, 1 <38 f.>). Der Gesetzgeber hat die Grenzen des ihm bei der Gestaltung des Erhebungsprogrammes zuzubilligenden Beurteilungs- und Entscheidungsspielraumes nicht dadurch überschritten, dass er an dieser im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 (vgl. BVerfGE 65, 1) für verfassungsgemäß erkannten Frage festgehalten hat. Die Verfassungsbeschwerde enthält keine Gesichtspunkte, die eine geänderte verfassungsrechtliche Beurteilung dieser Frage gebieten könnten. Dies gilt namentlich hinsichtlich der Voraussetzung, dass die Erhebung der Erfüllung einer Bundesaufgabe dient, die nach der Begründung des Gesetzentwurfes (vgl. BTDrucks. 10/2814, S. 16) und der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (vgl. BTDrucks. 10/3843, S. 29) weiterhin als gegeben angesehen werden kann. Dem steht nicht entgegen, dass die Ergebnisse der Erhebung über die Religionszugehörigkeit auch wichtige Informationen für das Verhalten der Religionsgesellschaften darstellen können und diese im Gesetzgebungsverfahren den Standpunkt vertreten haben, an der Erhebung dieses Merkmales sei festzuhalten.

2. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin rechtfertigt nicht, die organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen des Volkszählungsgesetzes 1987 - VZG 1987 - zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als unzureichend zu beanstanden. Im Blick auf die Beschwerdeführerin sind grundrechtswidrige Schutzlücken nicht festzustellen.

a) Prüfungsmaßstab ist dabei das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht, wie es durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 (BVerfGE 65, 1 <41 ff.> - Volkszählungsurteil) für die Durchführung statistischer Erhebungen konkretisiert wurde. Nach diesen Grundsätzen, die nach wie vor Geltung haben, hat der Gesetzgeber für die notwendigen Sicherungsvorkehrungen zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Sorge zu tragen, ohne selbst alles regeln zu müssen (vgl. BVerfGE 65, 1 <59>); namentlich sind die Wahrung des Statistikgeheimnisses und des Gebotes möglichst frühzeitiger (faktischer) Anonymisierung, verbunden mit Vorkehrungen gegen eine Reanonymisierung, durch Organisation und Verfahren zuverlässig sicherzustellen (vgl. a.a.O., S. 49, 51 f., 59 f.).

b) Die Beschwerdeführerin kann verfassungsrechtliche Bedenken gegen ihre Aufforderung zur Auskunftserteilung zunächst nicht auf eine unzureichende Strafbewehrung einer Verletzung von Schutzvorkehrungen stützen. Die in den Erhebungsstellen tätigen Personen (§ 9 Abs. 2 VZG 1987), die Zähler (§ 10 Abs. 4 VZG 1987) und die sonst mit der Durchführung der Volkszählung - einer Bundesstatistik - betrauten Amtsträger und für den öffentlichen Dienst besonders verpflichteten Personen sind zur Wahrung des Statistikgeheimnisses verpflichtet (§ 16 BStatG); ihnen ist eine zweckwidrige Datenverwertung untersagt, was durch die datenbezogene Zweckbindung der erhobenen (Hilfs- und Erhebungs-)Merkmale ergänzt wird (§ 17 Abs. 1 VZG 1987). Die Beachtung dieser Verhaltenspflichten wird - hinsichtlich der Zähler - durch die Festlegung von Auswahlkriterien (§ 10 Abs. 5 VZG 1987) ergänzt. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob dem Gebot einer personellen Trennung der Erhebungsstellen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 VZG 1987) nur hinreichend Rechnung getragen wird, wenn nur Personen, die auch als Zähler tätig werden könnten, in der Erhebungsstelle eingesetzt werden; die Beschwerdeführerin dieses Verfahrens hat nicht geltend gemacht, in der für sie zuständigen Erhebungsstelle seien Personen beschäftigt, bei denen im Hinblick auf ihre dienstliche Tätigkeit, einen Wechsel zwischen Verwaltungsvollzugs- und Erhebungsstellentätigkeit oder aus sonstigen Gründen Interessenkonflikte nicht auszuschließen sind.

Im Gesamtzusammenhang dieser Vorkehrungen kommt den von der Beschwerdeführerin als unzureichend beanstandeten Strafdrohungen für eine Verletzung des Statistikgeheimnisses oder des Reidentifizierungsverbotes lediglich ergänzende Bedeutung zu. Ein umfassender Strafrechtsschutz ist insoweit jedenfalls von Verfassungs wegen nicht geboten. Für ein systematisch rechtswidriges Handeln der mit der Durchführung der Volkszählung betrauten Personen und Stellen, dem wirksam nur durch Strafdrohungen begegnet werden könnte, hat die Beschwerdeführerin Anhaltspunkte nicht dargelegt. Etwaige Unregelmäßigkeiten oder Rechtsverstöße beim Vollzug des Volkszählungsgesetzes berühren nicht die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes selbst (vgl. BVerfGE 31, 1 <27>; 52, 95 <125>; 57, 70 <106 f.>). Es handelt sich um Probleme der Handhabung der gesetzlichen Vorschriften, nicht um solche des Inhalts der gesetzlichen Regelung. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, sondern vornehmlich Aufgabe der Gerichte, namentlich der dem Untersuchungsgrundsatz verpflichteten Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, insoweit Auskunftspflichtige gegen etwaige unberechtigte Eingriffe in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen und ihren Anspruch auf eine tatsächlich wirksame Kontrolle (vgl. BVerfGE 65, 1 <70> m.w.N.) zu verwirklichen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von der Beschwerdeführerin behaupteten Lücken des Strafrechtsschutzes eine Bereitschaft der mit der Durchführung der Volkszählung betrauten Personen zu illegalem Handeln bewirkten oder förderten. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob die vom Oberverwaltungsgericht vertretene weite Auslegung des § 18 VZG 1987 unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet oder ob § 21 BStatG neben § 18 VZG 1987 ergänzend Anwendung findet.

c) Die Beschwerdeführerin kann aus dem allgemeinen Hinweis auf noch fehlende Auswertungsprogramme auch nicht herleiten, jedenfalls derzeit sei ihre Heranziehung zur Auskunftspflicht verfassungswidrig, weil die Datenverarbeitung bei den statistischen Landesämtern undurchschaubar und die Beachtung der zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung notwendigen Löschungs-, Anonymisierungs- und Abschottungsregelungen nicht gesichert sei. Innerhalb des vom Gesetz gezogenen Rahmens obliegt es den mit der Durchführung der Volkszählung betrauten Stellen, unter deren Beteiligung und kontrolliert auch durch die unabhängigen Datenschutzbeauftragten (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>; 67, 157 <185>) die zur (grund)rechtsschützenden und -wahrenden Durchführung erforderlichen technischen und organisatorischen Hilfsmittel und Maßnahmen rechtzeitig zu entwickeln und zu ergreifen (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>). Die Beschwerdeführerin hat nicht substantiiert vorgetragen, es seien für die verfassungsrechtliche Beurteilung erhebliche und vermeidbare Verzögerungen der schrittweisen Anonymisierung durch Programmentwicklungsrückstände zu besorgen.

d) Das Oberverwaltungsgericht hat auch das Gebot einer möglichst frühzeitigen (faktischen) Anonymisierung, verbunden mit Vorkehrungen gegen eine Deanonymisierung (vgl. BVerfGE 65, 1 <49,>), nicht grundlegend verkannt. Die Verfassungsbeschwerde gibt dabei keinen Anlass zur Beurteilung von Sonderfällen, etwa denen selbständig Tätiger, deren Familienname im Namen der Arbeitsstätte enthalten ist oder deren Arbeitsstätte sich auf dem gleichen Grundstück wie die Wohnung befindet; es ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass die Beschwerdeführerin dieser Personengruppe angehört. Ebenfalls bedarf es keiner Erörterung der Problematik, ob die nach § 15 Abs. 4 Satz 1 VZG 1987 vorgesehene Speicherung der Hilfsmerkmale Straße oder Hausnummer auch dann noch mit dem Gebot möglichst frühzeitiger Anonymisierung vereinbar ist, wenn eine blockseitenbezogene Aufbereitung nicht beabsichtigt ist.

Einer möglichst frühzeitigen (faktischen) Anonymisierung dient zunächst das Trennungsgebot des § 15 Abs. 1 VZG 1987. Die Beschwerdeführerin hat dabei nicht zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellt, ob die Trennung bereits bei den Erhebungsstellen vorzunehmen ist. Das Gebot der Trennung der Hilfsmerkmale und ihrer gesonderten Aufbewahrung ist nicht unabhängig vom Erhebungszweck und den technischen Notwendigkeiten der Erhebungsaufbereitung zu verstehen; unter dem Gesichtspunkt eines wirksamen Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wird dem Gesetzgeber jedenfalls dann die Befugnis zuzubilligen sein, im Gesetz selbst normenklare Ausnahmen vom (sofortigen) Trennungsgebot zuzulassen und lediglich eine möglichst frühzeitige Trennung anzuordnen, wenn und soweit dies unter Anlegung eines strengen Maßstabes notwendige Folge eines im übrigen verfassungsmäßigen Erhebungszweckes und einer den notwendigen Grundrechtsschutz beachtenden Aufbereitungsorganisation ist. Hier sind - hinsichtlich der Hilfsmerkmale Straße und Hausnummer - die als solche unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verfassungsrechtlich hinnehmbaren Entscheidungen des Gesetzgebers von Bedeutung, weder auf Eingangskontrollen zur Hebung der Datenqualität noch auf eine kleinräumig gegliederte und haushaltsbezogene Aufbereitung zur Erhöhung der statistischen Nutzbarkeit der Daten zu verzichten. Dabei kann hier offenbleiben, ob die Zugehörigkeit der Erhebungsmerkmale zu der für die jeweilige Gemeinde vorgesehenen untersten Ebene kleinräumiger Gliederung, etwa der Blockseite, technisch nur durchführbar ist, wenn die Hilfsmerkmale Straße und Hausnummer nach den Eingangskontrollen nicht, auch nicht zeitweilig, abgetrennt und gesondert aufbewahrt werden und sie gemeinsam mit den Erhebungsmerkmalen auf denselben für die maschinelle Datenverarbeitung bestimmten Datenträger übernommen werden. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin gibt insoweit jedenfalls keinen Anlass zu verfassungsgerichtlichen Beanstandungen. Es begegnet allerdings Bedenken, ob der Verzicht auf eine möglichst frühzeitige Abtrennung des Hilfsmerkmales Name der Arbeits- oder Ausbildungsstätte, deren Anschrift zudem Erhebungsmerkmal ist, damit gerechtfertigt werden kann, es sei Bestandteil des lesefähigen Personenbogens und könne aus technischen Gründen nicht abgetrennt werden (so BTDrucks. 10/2814, S. 25); die Gestaltung des Personenbogens hat den verfassungsrechtlichen Trennungsanforderungen zu folgen, nicht umgekehrt. Der Name der Ausbildungs- oder Arbeitsstätte ist jedoch als solcher - von Sonderfällen etwa selbständig Tätiger, deren Namen in dem der Beschäftigungsstelle enthalten ist, abgesehen - kein unmittelbar der Identifizierung dienendes oder sie ohne Zusatzwissen ermöglichendes Merkmal, das dem strikten Trennungsgebot unterliegt.

Auch die in § 15 Abs. 2 bis 4 VZG 1987 geregelten Löschungs- und Vernichtungsgebote genügen grundsätzlich dem Erfordernis, dass der Gesetzgeber selbst für die notwendigen Sicherungsvorkehrungen zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung zu tragen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat zunächst ohne Verfassungsverstoß und zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Regelungen für alle bei der Erhebung genutzten Unterlagen und angefallenen Daten gelten, namentlich, wie sich aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien hinreichend deutlich ergibt, auch für die sogenannten Organisationspapiere. Der Gesetzgeber, der ausweislich der Anlagen zur Gesetzesbegründung (BTDrucks. 10/2814) und des Ausschussberichtes (BTDrucks. 10/3843) die Nutzung solcher Organisationspapiere als notwendig erkannt und gebilligt hat, war von Verfassungs wegen nicht gehalten, selbst über Nutzung, Verbleib und Vernichtung der Organisationspapiere ausdrückliche Sonderregelungen zu treffen.

Der Spielraum, der der Verwaltung bei der Ausfüllung des Gebotes der frühestmöglichen Vernichtung und der Löschungsregelungen rechtlich oder tatsächlich verbleibt, überschreitet auch nicht die verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Grenzen. Der Gesetzgeber durfte sich namentlich auf relative, an bestimmte Bearbeitungsschritte oder Aufbereitungsergebnisse oder den unbestimmten Rechtsbegriff der "frühestmöglichen" Vernichtung anknüpfende Löschungs- und Vernichtungsregelungen beschränken. Die Feststellung der amtlichen Bevölkerungszahl des Landes kennzeichnet dabei nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht den Regelzeitpunkt, sondern den spätesten Zeitpunkt der Löschung oder Vernichtung; die statistischen Landesämter sind gehalten, für jede der Erhebungsunterlagen den jeweils frühestmöglichen Zeitpunkt zu ermitteln und die Vernichtung oder Löschung zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen. Die Kontrolle der Beachtung dieser durch unbestimmten Rechtsbegriff hinreichend normenklar begründeten Pflicht obliegt dabei - neben den unabhängigen Datenschutzbeauftragten - auf Anrufung der Auskunftspflichtigen den Gerichten namentlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Diese können das Handeln der statistischen Landesämter am Maßstab der grundrechtssichernden Funktion der Löschungs- und Vernichtungsregelungen in vollem Umfange überprüfen und sich der Überprüfung nicht mit dem Hinweis darauf enthalten, die Handhabung der Löschungs- und Vernichtungsregelungen betreffe dem Individualrechtsschutz nicht zugängliche interne Organisationsmaßnahmen der Verwaltung ohne Außenwirkung. Auch tatsächlich eröffnen die Löschungs- und Vernichtungsregelungen den statistischen Landesämtern keinen mit Verfassungsrecht unvereinbaren Einfluss auf den Zeitpunkt für eine Löschung oder Vernichtung. Art und Geschwindigkeit der Aufbereitung und ihre Organisation bilden keine verbindlichen, etwa die Gerichte bindenden, tatsächlichen Vorgaben der statistischen Landesämter, sondern haben sich ihrerseits am Gebot frühestmöglicher Löschung und Vernichtung zu orientieren. Vermeidbare wesentliche Verzögerungen der Datenaufbereitung haben dabei außer Betracht zu bleiben; die statistischen Landesämter sind gehalten, die Aufbereitungsorganisation und die personellen und sachlichen Mitteln in den Grenzen des vom Bürger vernünftigerweise erwartbaren Aufwandes an einer zügigen Aufbereitung auszurichten. Ob die von den statistischen Ämtern für die jeweiligen Erhebungspapiere oder Daten in den Blick genommenen Löschungs- oder Vernichtungszeitpunkte dem Gebot frühestmöglicher Vernichtung entsprechen und ob die Ämter in der Lage sein werden, nach dem jeweiligen Aufbereitungsstand mögliche und gebotene Löschungen und Vernichtungen tatsächlich auch durchzuführen, betrifft dabei vorrangig fachgerichtlicher Kontrolle obliegende Vollzugsfragen; für den Bereich des Landes Niedersachsen hat die Beschwerdeführerin insoweit Bedenken substantiiert nicht geltend gemacht.

Die Beachtung des verfassungsrechtlichen Gebotes einer möglichst frühzeitigen (faktischen) Anonymisierung, verbunden mit Vorkehrungen gegen eine Reanonymisierung, wird weiter nicht durch die selbst nach Entfernung von Identifikatoren verbleibenden Möglichkeiten in Frage gestellt, anhand der Erhebungsmerkmale eine Reidentifizierung vorzunehmen. Von Verfassungs wegen gefordert ist lediglich eine faktische Anonymität der Daten. Diese kann - in Anlehnung an § 16 Abs. 6 BStatG - allenfalls dann als gegeben angesehen werden, wenn Datenempfänger oder Dritte eine Angabe nur mit einem - im Verhältnis zum Wert der zu erlangenden Information nicht zu erwartenden - unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten, Arbeitskraft und sonstigen Ressourcen (etwa Risiko einer Bestrafung) einer Person zuordnen können. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Reidentifizierungsmöglichkeiten vernachlässigen dabei durchgängig die tatsächlichen Bedingungen und Möglichkeiten einer solchen Reidentifizierung, insbesondere die Maßnahmen zur Datensicherung und das Erfordernis, dass Zusatzwissen verfügbar zu sein hat. Für die statistischen Landesämter bleiben die Daten allerdings durchgängig personenbezogen, weil personenbeziehbar. Dies ist bei einer auf Individualdaten aufbauenden, kleinräumig zu gliedernden Statistik allein durch gesetzliche Ge- und Verbote nicht vermeidbar. Das hiernach verbleibende Reidentifizierungsrisiko hat der Einzelne grundsätzlich als notwendige Folge einer im überwiegenden Allgemeininteresse angeordneten Statistik hinzunehmen, wenn und soweit auch innerhalb der statistischen Ämter interne organisatorische Vorkehrungen neben den Trennungs- und Löschungsgeboten die Beachtung des Zweckbindungsgebotes und des Reidentifizierungsverbotes sicherstellen. Es ist von der Beschwerdeführerin nicht substantiiert vorgetragen, dass das für sie zuständige Statistische Landesamt der durch die § 6 BDSG entsprechenden Regelung des Landesdatenschutzgesetzes hinreichend klar durch Gesetz angeordneten Pflicht zu solchen organisatorischen und technischen Vorkehrungen zur Datensicherung prinzipiell nicht nachzukommen bereit sei. Etwa verbleibende Sicherungsmängel oder -lücken berühren nicht die Verfassungsmäßigkeit des Volkszählungsgesetzes oder seiner Durchführung als solcher; sie im Einzelfall zu ermitteln und ihre Beseitigung zu veranlassen, ist vorrangig Aufgabe der zu beteiligenden unabhängigen Datenschutzbeauftragten und der Fachgerichte; diese werden hinsichtlich der Antrags- oder Klagebefugnis die grundrechtssichernde Funktion auch organisatorischer und technischer Sicherungsvorkehrungen und bezüglich der Mitwirkungserfordernisse, soweit sie den Umfang der Aufklärungspflicht des Gerichtes nach dem Untersuchungsgrundsatzes § 86 Abs. 1 VwGO beeinflussen können, zu berücksichtigen haben, dass diese Bedingungen der Speicherung und Verwendung der Daten für die Bürger weitgehend undurchsichtig sind. Überspannte Anforderungen an die Darlegung oder Glaubhaftmachung von Sicherungsmängeln wären hiermit unvereinbar. Keine zu beanstandende Schutzlücke liegt darin, dass § 17 Abs. 2 VZG 1987 im Gegensatz zu § 21 BStatG ausdrücklich lediglich die Zusammenführung mit Daten aus anderen statistischen Erhebungen außerhalb der statistischen Aufgabenstellung untersagt; das Verbot der Reidentifizierung mit Hilfe anderer als statistischer Daten außerhalb der statistischen Aufgabenstellung folgt hinreichend bestimmt aus dem Zweckbindungsgebot des § 17 Abs. 1 VZG 1987. Von Verfassungs wegen ist es auch nicht geboten, die bei der Volkszählung erhobenen Daten allein und ausschließlich über Rechenzentren zu verarbeiten, die lediglich den statistischen Landesämtern zur Verfügung stehen, wenn und soweit die Abschottung der Verarbeitung dieser Daten und ihre Zweckbindung durch organisatorische, personelle und technische Maßnahmen der Datensicherung gewährleistet sind. Dabei kann offenbleiben, ob dies auch für eine Datenverarbeitung der zur Durchführung statistischer Aufgaben zuständigen Stellen der Gemeinden und Gemeindeverbände gilt.

Gegen Reidentifizierungsgefahren bei der Weitergabe oder Veröffentlichung kleinräumig gegliederter statistischer Ergebnisse in aggregierter Form enthält § 15 Abs. 4 Satz 4 VZG 1987 das zur Grundrechtssicherung hinreichende Gebot, dass die Gliederungseinheiten Blockseite, soweit sie Einzelangaben enthalten, die dem Auskunftspflichtigen oder Betroffenen zuzuordnen sind, zu höheren Einheiten zusammengefasst werden müssen; die statistischen Ämter der Länder werden ebenso wie die zur Durchführung statistischer Aufgaben zuständigen Stellen der Gemeinden und Gemeindeverbände dabei die Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik hinsichtlich der Möglichkeit einer Reanonymisierung aggregierter Datensätze zu beachten haben.

3. Der angegriffene Beschluss hat Bedeutung und Tragweite der Grundrechte der Beschwerdeführerin schließlich nicht mit der Erwägung verkannt, sie könne ein von ihr als gesetzeswidrig angesehenes Verhalten von Zählern in anderen Bezirken oder gegenüber anderen Auskunftspflichtigen nicht ihrer eigenen Auskunftspflicht entgegenhalten. Die von der Beschwerdeführerin insoweit herangezogenen Vorkommnisse rechtfertigen nicht den Schluss, die örtlichen Erhebungsstellen oder das für sie zuständige Statistische Landesamt seien zu einer verfassungs- und gesetzeskonformen Durchführung der Volkszählung generell nicht bereit oder in der Lage; sie lassen auch unter Berücksichtigung der für den Einzelnen bestehenden Schwierigkeiten, etwaige Verstöße gegen organisatorische und verfahrensrechtliche Schutzvorkehrungen zu ermitteln und vor den Verwaltungsgerichten substantiiert geltend zu machen, nicht erkennen, dass im Zusammenhang mit der Erhebung und Verarbeitung ihrer Daten Schutzvorkehrungen, denen grundrechtssichernde Funktion zukommt, nicht beachtet worden sind. Sollte sich insoweit die Sach- oder Rechtslage ändern, bleibt es der Beschwerdeführerin unbenommen, dies im Verfahren nach § 80 Abs. 6 VwGO erneuter fachgerichtlicher Prüfung zuzuführen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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