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OVG Münster Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1165/08 - Zur irreführenden berufswidrigen Werbung eines Zahnarztes mit Praxis für Zahnheilkunde und Implantologie
OVG Münster v. 26.09.2008: Zur irreführenden berufswidrigen Werbung eines Zahnarztes mit der Bezeichnung "Praxis für Zahnheilkunde und Implantologie"
Das OVG Münster (Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1165/08) hat entschieden:
Die Verwendung der Bezeichnung "Praxis für Zahnheilkunde und Implantologie" in der Zeitungsanzeige eines Zahnarztes ist irreführend und daher berufswidrig; sie kann durch Ordnungsverfügung der Zahnärztekammer untersagt werden.
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Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der dargelegten Gründe befindet, ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09. April 2008, durch den ihm die Verwendung der Bezeichnung "Praxis für Zahnheilkunde und Implantologie" in jeder Form der Außendarstellung untersagt wurde, zu Unrecht stattgegeben.
Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt aus der Sicht des Senats zum Nachteil des Antragstellers aus. Die auf § 6 Abs. 1 Nr. 6 Heilberufsgesetz NRW - HeilBerG - in der Änderungsfassung vom 20. November 2007 (GV. NRW, S. 572) i.V.m. § 21 der Berufsordnung der Beklagten - BO - vom 19. November 2005 (MBl. NRW 2006, S. 42; MBl. NRW 2008, S. 82) gestützte Verfügung der Antragsgegnerin vom 09. April 2008 erweist sich bei der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung als rechtmäßig.
Nach § 21 Abs. 1 BO sind dem Zahnarzt sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet. Untersagt ist ihm hingegen eine berufswidrige Werbung, wobei berufswidrig insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung ist. Als berufswidrig gilt u. a. das Führen von Zusätzen, die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern und damit zu einer Verunsicherung der Kranken/Patienten führen können, was das Vertrauen in den Zahnarzt-/Arztberuf untergraben und langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung haben könnte. Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, bleibt demgegenüber im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum. Diese Vorgaben entsprechen den von der Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG, der die freie Berufsausübung schützt, entwickelten Kriterien.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28. Juli 2004 - 1 BvR 159/04 -, NJW 2004, 2656 ("Spezialist für Verkehrsrecht"), vom 26. August 2003 - BvR 2003/02 -, NJW 2003, 3470, vom 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 - u. - 1 BvR 70/01 -, NJW 2003, 1027, vom 8. Januar 2002 - 1 BvR 1147/01 -, NJW 2002, 1331 ("Spezialisten" für bestimmte Operationen); vom 23. Juli 2001 - 1 BvR 873/00 u. a. -, NJW 2001, 2788; und vom 11. Februar 1992 - 1 BvR 1531/90 -, BVerfGE 85, 248; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 - I ZR 167/01 -, NJW 2004, 440.
Ob eine Werbung irreführend ist, ist aus der Sicht der durch sie angesprochenen Verkehrskreise und eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers/Patienten zu bewerten.
Die in Frage stehende Bezeichnung durch den Antragsteller, der zugleich eine Werbewirkung zukommt, ist irreführend und daher berufswidrig in dem vorgenannten Sinne.
Dabei entfällt, anders als der Antragsteller meint, die Einstufung der Werbung als irreführend nicht schon deshalb, weil der Antragsteller die Bezeichnung "Praxis für ..." und nicht "Zahnarzt für ..." gewählt hat. Die Bezeichnung "Praxis für ..." wird vom verständigen Patienten mit der als selbstverständlich anzunehmenden Kenntnis, dass eine Zahnarztpraxis von einem Zahnarzt oder mehreren Zahnärzten betrieben wird, nicht personenneutral gesehen. Verbunden wird damit vielmehr eine zahnärztliche Tätigkeit durch den oder - worauf der Begriff "Praxis für ..." eher hindeutet - die in dieser Praxis tätigen Zahnarzt/Zahnärzte. Auch die Werbung für eine "Praxis für ..." ist daher aus der Sicht des Durchschnittspatienten nicht nur objektbezogen, sondern personenbezogen und an dem bzw. den Praxisinhaber(n) orientiert, also in Verbindung mit den dort zahnärztlich tätigen Personen und deren Qualifikationen zu werten.
Die vom Antragsteller verwendete Bezeichnung "Praxis für Zahnheilkunde und Implantologie", die in der fraglichen Zeitungsanzeige in einheitlicher, aber größerer Schrift als die übrigen Angaben enthalten ist, ist geeignet, Patienten zu verunsichern und zu verwirren und daher irreführend. Der Antragsteller leitet seine Berechtigung zur Angabe von Bezeichnungen in Zusammenhang mit "Implantologie" aus seiner postgradualen Ausbildung an der E. -Universität in L. ab. Insoweit geht es um die Anerkennung und das berechtigte Führen eines akademischen Grades.
Vgl. LG Ingolstadt, Urteil vom 04. Dezember 2007 - 1 HK O 507/07 -, Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht (ZMGR) 2008, 84.
Der oben angegebenen und von der Antragsgegnerin für unzulässig gehaltenen Bezeichnung wird aber bei verständiger Würdigung aus der Sicht eines durchschnittlich informierten Patienten eine andere bzw. darüber hinaus gehende Bedeutung beigemessen. Dem Durchschnittspatienten ist regelmäßig nicht bekannt, dass in Teilbereichen der zahnärztlichen Tätigkeit (hier: Implantologie) eine zusätzliche berufliche Qualifikation im Ausland erworben werden kann. Der Durchschnittspatient verbindet - u .a. wegen der einheitlichen Schriftgröße - mit der Bezeichnung "Praxis für Zahnheilkunde und Implantologie" vielmehr generell die Vorstellung einer von der Zahnärztekammer zugelassenen Bezeichnung und einer besonderen Qualifikation des Zahnarztes/der Zahnärzte oder zumindest eines Schwerpunkts der zahnärztlichen Arbeit in den bezeichneten Tätigkeitsbereichen. Dies gilt auch angesichts dessen, dass es nach der Weiterbildungsordnung der Antragsgegnerin keinen "Fachzahnarzt für Implantologie" gibt. Zwar wird in Zusammenhang mit dem Umstand, dass allgemein eine bestimmte berufliche Qualifikation durch die Bezeichnung "Fach..." mit Zusatz (z. B. "Facharzt für...", "Fachanwalt für...") gekennzeichnet wird, angenommen, dass eine Verwechslungsgefahr im Falle einer nicht formell bestehenden "Fach"-Qualifikation von vornherein nicht besteht.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2004 - 1 BvR 159/04 -, a. a. O., ("Spezialist für Verkehrsrecht").
Diese Einschätzung schließt aber nicht zwingend die Annahme einer irreführenden Bezeichnung aus. Der Begriff der Irreführung definiert sich nicht allein aus einer möglichen Verwechslungsgefahr einer Bezeichnung mit einer - nicht existenten - anderen Bezeichnung. Zudem ergibt sich hier die Einschätzung der in Frage stehenden Bezeichnung als irreführend nicht in erster Linie aus einer möglichen Verwechslungsgefahr mit einem - formell nicht vorgesehenen - Fachzahnarzt der Implantologie, sondern vorrangig aus dem Erscheinungsbild der Bezeichnung insgesamt und ihrer Wortkombination. Mit der Bezeichnung "Praxis für Zahnheilkunde und Implantologie" wird, u. a. wegen der einheitlichen Schriftgröße und der Verbindung durch das Wort "und", bei dem Durchschnittspatienten der Eindruck erweckt, es handele sich bei den genannten zahnärztlichen Tätigkeitsbereichen um zwei getrennte, aber gleichgewichtige Bereiche, für die jeweils eine eigenständige besondere Qualifikation des Praxisinhabers bestehe. Tatsächlich handelt es sich aber bei der "Implantologie" um einen Teilbereich der Zahnheilkunde, also des gesamten Spektrums zahnärztlicher Tätigkeit, die im Grundsatz jeder Zahnarzt ohne besondere - zusätzliche - Qualifikation durchführen darf und für die es auch keine besondere Qualifikation nach der Weiterbildungsordnung der Antragsgegnerin gibt. Vor diesem Hintergrund ist daher eine mit einer entsprechenden Werbewirkung verbundene Bezeichnung, die - wie hier - dem Gesamtbegriff der Zahnheilkunde und der darin inkludierten Implantologie nicht Rechnung trägt und einen Teilbereich derselben zusätzlich gesondert herausstellt, als irreführend anzusehen.
Das Vorbringen des Antragstellers, mit der beanstandeten Bezeichnung werde in zulässiger Weise auf den Tätigkeitsschwerpunkt in der Praxis hingewiesen und das Führen des Tätigkeitsschwerpunkts sei ihm von der Antragsgegnerin zugestanden worden, führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Nach der Berufsordnung der Antragsgegnerin von 2005 in Verbindung mit den dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen (Abschn. I Nr. 4) muss den entsprechenden Angaben der Zusatz "Tätigkeitsschwerpunkt" vorangestellt werden. Dementsprechend findet sich gerade in der in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin enthaltenen Kopie des Zeitungsausschnittes, in dem die Anzeige des Antragstellers enthalten ist, in der nebenstehenden Anzeige eines anderen Zahnarztes in H. ein Beispiel einer ordnungsgemäßen Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten. In der Anzeige des Antragstellers fehlt es hingegen an einer solchen Angabe. Die beanstandete Bezeichnung entspricht daher auch insoweit nicht den Vorgaben der Berufsordnung der Antragsgegnerin.
Der Gemeinwohlbelang, der die Untersagung des Führens der Bezeichnung "Praxis Zahnheilkunde und Implantologie" rechtfertigt, besteht darin, dass der Öffentlichkeit, d. h. den Patienten, nur die Informationen durch Zahnärzte "zugemutet" werden sollen, die ihnen eine mögliche Hilfe bei deren Auswahl sein können, und dass dementsprechend Informationen, die diesbezüglich statt Klarheit Verunsicherung bewirken, unterbleiben sollen. Daraus ergibt sich zugleich die Berechtigung der Heilberufskammern, die u. a. die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen zu fördern und für die Erhaltung eines hochstehenden Berufsstandes zu sorgen haben (vgl. § 6 Abs. 1 HeilBerG), zur Sicherung dieser Qualität, zu der auch eine sachangemessene und nicht irreführende Patienteninformation gehört, damit nicht in Einklang stehenden Angaben von Zahnärzten zu begegnen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Vermeidung eines Nachahmungseffekts in der Weise, dass Zahnärzte eine vergleichbar unzulässige und damit berufswidrige Werbung betreiben wollen und eine solche generell unterbleiben soll.
Diese Erwägungen rechtfertigen - auch im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG - gleichfalls die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung. Die Verfügung betrifft eine Maßnahme im Rahmen der Berufsausübung und keine solche der Berufswahl, bei der u. U. höhere Anforderungen an die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung geboten sind.
Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung in dem angefochtenen Bescheid bestehen nicht, so dass auch insoweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.