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OLG Hamm Urteil vom 07.08.2007 - 4 U 194/06 - Zur Abgrenzung zwischen Arzneimittel und diätetischen Lebensmitteln (Zimtextrakt "E")

OLG Hamm v. 07.08.2007: Zur Abgrenzung zwischen Arzneimittel und diätetischen Lebensmitteln (Zimtextrakt "E")


Das OLG Hamm (Urteil vom 07.08.2007 - 4 U 194/06) hat entschieden:

   Bei der Beurteilung, ob ein Arzneimittel vorliegt, handelt es sich um eine Rechtsfrage, ebenso auch bei der Bewertung, ob - auf entsprechender naturwissenschaftlicher Tatsachengrundlage - eine pharmakologische Wirkung in diesem Kontext zu bejahen ist. Der Begriff "pharmakologische Wirkung" stellt sich als eine primär auch rechtlich zu fassende Schlussfolgerung aus den rein tatsächlich zu beurteilenden Umständen dar, ob und welche Körperbeeinflussungen durch das betreffende Erzeugnis herbeigeführt werden. Der in wässriger Lösung angebotene Zimtextrakt "E" ist ein Arzneimittel.




Siehe auch Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel


Zum Sachverhalt:


Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden, nimmt die Beklagte auf Unterlassung des wettbewerbswidrigen Vertriebs eines nicht zugelassenen Arzneimittels und wettbewerbswidriger Werbeaussagen in Anspruch.

Die Beklagte entwickelt, stellt her und vertreibt Arzneimittel und Lebensmittel, so das hier streitgegenständliche Produkt "E", die sie als "diätetisches Lebensmittel zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus im Rahmen eines Diätplans" bewirbt, so mit der Umverpackung und dem Beipackzettel hierzu (Anl. K 4) sowie mit einer Werbeanzeige in der Zeitschrift "O", Heft ##, vom 14.07.2003 auf S. 27 (Anl. K 5). In letzterer heiß es u.a. "Zimt gegen Zucker" (als Überschrift, hervorgehoben), ferner im Rahmen einer Aufzählung bestimmter Produktmerkmale "Für gute Blutzuckerwerte" und an späterer Stelle (in einem textlichen Teil) "(…) Der regelmäßige Verzehr von Zimt - in hochkonzentrierter Form als Spezialextrakt - hält den Blutzuckerspiegel im Normalbereich!". Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die bezeichneten Anlagen Bezug genommen.

Das Mittel "E" ist vor seiner Einführung intensiv geprüft worden. Die Beklagte hat dazu diverse Gutachten eingeholt, so u.a. das der Lebensmittelchemikerin F vom 26.05.2004 (Anl. K 9). "E" wird ausschließlich über Apotheken vertrieben und hat dort eine erhebliche Nachfrage. Mit dem Mittel "E" wird Zimt als wässriger Zimtextrakt in den Verkehr gebracht. Dabei werden die gemahlenen Zimtstangen mit Wasser extrahiert. Die ätherischen Öle werden auf diese Weise aus dem Produkt entfernt. Übrig bleibt Zimtextrakt ohne die ätherischen Öle.

Der Kläger mahnte die Beklagte unter dem 26.07.2004 (Anl. K 7) ab und forderte dabei die Erstattung seiner Aufwendungen für die Kosten der Rechtsverfolgung von 139,20 €. Die Beklagte lehnte die Unterzeichnung der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 04.08.2004 (Anl. K 8) ab.

Der Kläger hat gemeint, bei dem Mittel "E" der Beklagten handele es sich um ein Arzneimittel, nicht um ein Lebensmittel, und hat behauptet, dass es nicht Ernährungszwecken diene, sondern pharmakologischen Zwecken. Es werde ein Mittel zur Behandlung bzw. Linderung von Diabetes beworben. Mit dem in dem Produkt enthaltenen Bestandteil MHCP (Methylhydroxychalson-Polymer) solle der Blutzuckerspiegel beeinflusst werden. Es handele sich, so weiter die Auffassung des Klägers, um eine Werbung, die gegen die Bestimmung des § 18 I Nr. 1 LMBG verstoße und nicht nach den Vorschriften der DiätV privilegiert sei. Die Aussagen "Zimt gegen Zucker", "Für gute Blutzuckerwerte", "Hält den Blutzuckerspiegel im Normbereich" hält sie deshalb für unzulässig, weil die Bewerbung nicht verkehrsfähiger diätetischer Lebensmittel unlauter sei. Zudem sei die Werbung irreführend.

Die Beklagte hat gemeint, ihr Produkt "E" sei als diätetisches Lebensmittel zu qualifizieren. Die vom Kläger beanstandeten Aussagen in der Anzeige seien zulässig, da bezüglich der Angaben "Für gute Blutzuckerwerte" und "Hält den Blutzuckerspiegel im Normbereich" keine krankheitsbezogenen Aussagen, sondern lediglich Aussagen vorlägen, die auf eine Gesunderhaltung hindeuteten. Die Aussage "Zimt gegen Zucker" sodann besage lediglich, dass "E" für Zuckerkranke bestimmt sei. Es handele sich um ein diätetisches Lebensmittel zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus und sei in den angesprochenen Verkehrskreisen als Lebensmittel bekannt. Die getroffene Aussage sei auf der Grundlage des Privilegs des § 3 letzter Halbsatz DiätVO zulässig.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweiserhebung durch Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen E2 vom 09.01.2006 nebst Ergänzung 20.06.2006 und mündlicher Erläuterung vom 08.11.2006 zur Frage der Qualifizierung als diätetisches Lebensmittel oder als Arzneimittel mit pharmakologischer Wirkung abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Er kann von der Beklagten gemäß §§ 8 I, III Nr. 2; 3; 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 3 a HWG, 21 AMG die Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung des streitgegenständlichen Produkts als diätetisches Lebensmittel und Ersatz seiner Abmahnkosten von 139,20 € verlangen. Das Produkt ist als diätetisches Lebensmittel, so wie vermarktet, nicht verkehrsfähig. Es ist wegen seiner pharmakologischen Wirkung und seiner Zweckbestimmung gerade auch zur Linderung der Erkrankung Diabetes mellitus als ein Arzneimittel zu qualifizieren, für das die nötige arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt.

I.

Der Kläger ist im Sinne von § 8 III Ziff. 2 UWG klagebefugt. Insoweit streitet für ihn als alteingesessenem Verband eine Vermutung, deren Widerlegung Sache des angegriffenen Verletzers wäre (st. Rspr.; BGH WRP 1997, 439 - Geburtstagswerbung). Diese Vermutung ist hier weder erschüttert, noch kann eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung festgestellt werden aus dem Grunde, dass der Kläger im Interesse von Mitbewerbern instrumentalisiert ist, um, wie von der Beklagten behauptet, ihren Markterfolg zu stoppen.

II.

Bei dem vertriebenen und beworbenen Produkt handelt es sich um ein Arzneimittel, das nicht in erster Linie einem ernährungsphysiologischen, sondern vielmehr einem pharmakologischen Zweck dient. Es handelt sich dabei nicht mehr um das allseits als Genuss- und Lebensmittel bekannte Zimt, sondern um ein Präparat, das mit einer entsprechend hohen Dosis als spezielles Konzentrat eingesetzt werden soll konkret zur Linderung der Zuckerkrankheit.

1. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einem Arzneimittel und einem Lebensmittel ist auf der Grundlage der EG-Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG und gemäß dem Urteil des BGH vom 30.03.2006 (Az. I ZR 24/03 - Arzneimittelwerbung im Internet; WRP 2006, 736) von einem einheitlichen europäischen Arzneimittelbegriff auszugehen. Arzneimittel sind danach

   "alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen".

Durch diese Begriffsbestimmung wird nunmehr in einem größeren Umfang als zuvor auf objektive Merkmale des Produkts abgestellt, wobei insoweit europarechtlich eine Vollharmonisierung besteht. Der nationale Arzneimittelbegriff in § 2 AMG ist richtlinienkonform im Sinne der neu gefassten europarechtlichen Begriffsbestimmung auszulegen. Lebensmittel sind demgegenüber alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.

Trotz dieser vereinheitlichen Begriffsbestimmungen bleibt jedenfalls das maßgebliche Tatbestandsmerkmal der pharmakologischen Wirkung zur Bestimmung eines Arzneimittels nach wie vor unscharf, weil auch diese allgemeine Begriffsbestimmung wiederum entsprechend ausfüllungs- und auslegungsbedürftig bedürftig ist (vgl. hierzu Doepner/Hüttebräuker, ZLR 2004, 429, 439; dies., WRP 2005, 1195, 1197). Zum Kern der pharmakologischen Wirkung gehören dabei diejenigen Verwendungszwecke, die sich in der Definition des Arzneimittels nach der Funktion finden ("um"), namentlich die Eignung zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen Körperfunktionen. Dabei sind als Kriterien zur näheren Eingrenzung der arzneilichen Funktion nach der Rechtsprechung des EuGH von Bedeutung insbesondere die Zusammensetzung des Produkts, seine pharmalogischen Eigenschaften, die Modalitäten seiner Anwendung, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann (vgl. dazu die Erläuterungen bei Kloesel/Cyran, AMG, Stand 2007, § 2 Rn. 108; Doepner/Hüttebräuker, ZLR 2004, 429, 437 f.), wobei mit der Verwendung der in Rede stehenden Erzeugnisse nicht zwingend Gesundheitsgefahren verbunden sein müssen, um eine pharmakologische Wirkung zu bejahen. Der Begriff des Arzneimittels ist nicht auf Präparate beschränkt, die gesundheitsgefährdend sein können. Vielmehr ist das Auftreten einer Gesundheitsgefahr lediglich ein eigenständiger Faktor, der bei der Einstufung als Arzneimittel zu berücksichtigen ist (EuGH WRP 2005, 863 - HLH Warenvertriebs GmbH; BGH a.a.O.). Auf dieser Grundalge ist zu beurteilen, ob das Erzeugnis dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden oder um die menschlichen physiologischen Funktionen wieder herzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Eine pharmakologische Wirkung ist insofern dann anzunehmen, wenn von außen zugeführte Stoffe eine aktive Rolle im Hinblick auf die körpereigenen (physiologischen) Funktionen des Körpers übernehmen, indem sie auf diese verändernd einwirken, also manipulativ auf diese Funktionen einwirken bzw. "modifizierende Bioeffekte" auslösen (Dettling, PharmaR 2006, 58, 63, 69; Kloesel/Cyran, a.a.O., § 2 Rn. 2; Fezer-Meyer, UWG, § 4-S4 Rn. 79), sprich über dasjenige hinausgehen, was physiologisch auch mit der bloßen Nahrungsaufnahme im menschlichen Körper ausgelöst wird (BGH ZLR 2002, 638, 650 - Muskelaufbaupräparate; ZLR 2004, 618, 627 - Sportlernahrung II).



Dabei handelt es sich bei der Beurteilung, ob ein Arzneimittel vorliegt, um eine Rechtsfrage, entsprechend nach Auffassung des Senats auch bei der Bewertung, ob - auf entsprechender naturwissenschaftlicher Tatsachengrundlage - eine pharmakologische Wirkung in diesem Kontext zu bejahen ist. Der Begriff "pharmakologische Wirkung" stellt sich als eine primär auch rechtlich zu fassende Schlussfolgerung aus den rein tatsächlich zu beurteilenden Umständen dar, ob und welche Körperbeeinflussungen durch das betreffende Erzeugnis herbeigeführt werden. Die Frage der konkreten Körperbeeinflussungen und der tatsächlichen Wirkweisen ist zweifelsohne naturwissenschaftlicher Art und bei einer Auseinandersetzung hierüber mit Hilfe eines Sachverständigen zu beantworten. Die rechtliche Beurteilung ist alsdann die, ob aufgrund konkreter Körperbeeinflussungen eine pharmakologische Wirkung anzunehmen ist, mit der Folge einer Qualifizierung als Arzneimittel. Die Rechtsfrage, ob ein Arzneimittel vorliegt oder nicht, wird nicht dadurch zu einer Tatsachenfrage, dass als ein hierfür maßgebliches Tatbestandsmerkmal der wiederum ausfüllungsbedürftige Begriff der pharmakologischen Wirkung eingeführt worden ist. Dem steht auch, anders als es die Beklagte meint, die Entscheidung des BGH "Lactobact omni FOS" vom 09.06.2005 (ZLR 2005, 435) nicht entgegen. Danach müssen die Gerichte für die Beurteilung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels "nach der Funktion" fällt, von Fall zu Fall entscheiden und dabei alle seine Merkmale, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften, wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen , usw. (s. bereits oben), berücksichtigen. Daraus geht nach Auffassung des Senats lediglich hervor, dass die konkreten Eigenschaften und Wirkweisen Gegenstand naturwissenschaftlicher Beurteilung sind. Die mit Juristen besetzten Gerichte vermögen mangels entsprechender Fachkunde selbstredend nicht zu beurteilen, welche konkreten physiologischen Wirkungen durch einen bestimmten Stoff erzielt werden. Das ist eine originäre Tatsachen-, Beweis- und Sachverständigenfrage. Indes bleibt die abschließende Bewertung über das Vorliegen einer pharmakologischen Wirkung und damit praktisch eines Arzneimittels eine Subsumtions- und Rechtsfrage, in die eine rechtliche Wertung nach den harmonisierten Maßstäben einfließt, wie sich in dem besonders gelagerten Streitfall letztlich auch daran zeigt, dass die konkreten medizinischen Wirkungszusammenhänge (abweichend von den meisten derartiger Streitigkeiten) als solche unstreitig und insofern nicht gutachterlich zu klären sind. Es geht hierbei um eine begriffliche Auslegung und die damit verzahnte Bewertung, ob hieraus eine Arzneimittelqualität abzuleiten ist.

2. Die Parteien gehen in diesem Zusammenhang übereinstimmend davon aus, dass es sich bei dem beworbenen Produkt E um einen wässrigen Extrakt des Zimt mit sekundären Pflanzeninhaltsstoffen vom Typ der Polyphenole einschließlich der fraglichen Methylhydroxychalconpolymere (MCHP) handelt, bei dem die ätherischen Öle des Zimts herausgelöst sind, und dass dieses, wie auch die Sachverständige E2 bestätigt hat, eine positive Wirkung auf den Blutzuckerspiegel hat. Die ätherischen Öle, die zu Unverträglichkeiten führen können, sind dabei aus dem Produkt entfernt. In der konkreten Darbietungsform stellt sich das Produkt E in der Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände einschließlich der Bewerbung auf der oben dargestellten Beurteilungsgrundlage, wie auch das OLG Celle in dem dortigen Fall des Präparats Nobilin GLUCO Zimt mit seinem Urteil vom 29.03.2007, Az. 13 U 171, angenommen hat, als ein Arzneimittel dar, das als (diätetisches) Lebensmittel nicht verkehrsfähig ist und entsprechend auch nicht beworben werden darf. Entscheidend hierfür ist, dass das Produkt nicht in erster Linie ernährungsphysiologischen Zwecken dient und dienen soll wie ein Zimtprodukt als Gewürz oder Genuss- oder auch diätetisches Lebensmittel, sondern pharmakologischen Zwecken, weil mit den hieraus gewonnenen Polyphenolen, nämlich mit dem in den wässrigen Extrakten enthaltenen Polyphenolkomplex MHCP - nach eigenem Vortrag der Beklagten - der Insulinstoffwechsel des Körpers dahingehend beeinflusst werden soll, dass Diabetes gelindert wird. Hierzu wird von der Beklagten selbst vorgetragen, dass das Mittel eine Wirkung auf den Blutzuckerspiegel habe, der hierdurch gesenkt werden könne. Die antidiabetischen Effekte von Zimtzubereitungen seien (so etwa die Klageerwiderung vom 20.12.2004) in pharmakologischen Untersuchungen am Zellmodell, in einer tierexperimentellen Studie und einer klinischen Doppelblindstudie nachgewiesen worden. Die wirksame Fraktion aus Zimtextrakt, der in wässrigen Extrakten enthaltene Polyphenolkomplex MHPC, greife direkt am Insulinrezeptor an und verstärke dort die Wirkung des Hormons. Dies scheine aber nur bei Zellen mit einer ausgeprägten Insulinresistenz zu funktionieren, während der Stoffwechsel von Zellen mit normalem Metabolismus unbeeinflusst zu bleiben scheine. Das Präparat ist insofern konkret dazu bestimmt, die diesbezüglichen physiologischen Funktionen des Menschen zu beeinflussen, mit der Folge, dass die pharmakologische Wirksamkeit dessen im Vordergrund steht, wie dies insbesondere auch aus der hier beanstandeten Werbung K 5 hervorgeht, wonach der Spezialextrakt den Blutzuckerspiegel im Normbereich halten und der Zimt gegen den Zucker wirken soll. Mit anderen Worten soll dieser von außen zugeführte Stoffe eine aktive Rolle im Hinblick auf die physiologischen Funktionen des Körpers übernehmen, indem sie auf diese verändernd, also manipulativ auf die körpereigenen (physiologischen) Funktionen einwirken, nämlich um Alterszucker entsprechend zu bekämpfen.

Gegen die Einordnung als Arzneimittel spricht dabei nicht, dass es sich bei Zimt allgemein um ein Gewürz und ein bekanntes Lebensmittel handelt. Denn bei dem Produkt E geht es gerade, auch wenn noch ein gewisser Zimtgeschmack zurückbleibt (vgl. dazu Gutachten W vom 09.12.2004, S. 5: kein typischer aromatischer Zimtgeruch mehr festzustellen, da dieser Geruch von den ätherischen Ölen herrührt, die im wässrigen Auszug praktisch nicht mehr vorhanden sind; der Geschmack "erinnert" aber noch an Zimt), auch unter diätetischen Gesichtspunkten nicht mehr um eine lebensmitteltypische Zweckbestimmung als Gewürz oder Geschmacksträger oder als Mittel der Ernährung, sondern um eine arzneiliche Zweckbestimmung. Auch bei sog. Dual-Use-Produkten, die nach ihrer Zusammensetzung und Beschaffenheit sowohl als Lebensmittel als auch als Arzneimittel verwendet werden können (so etwa bei unterschiedlichen Teesorten als Getränk oder als Heilmittel), wie dies bei Kräutern und Gewürzen der Fall sein kann, hier beim Zimt, kommt es maßgeblich auf die objektive Zwecksetzung des Produkts an (vgl. hierzu Kloesel/Cyran, a.a.O., § 2 Rn. 119). Vorliegend handelt sich insofern nicht mehr um das Ursprungsprodukt Zimt oder ein bloßes Surrogat, sondern vielmehr um einen wässrigen Extrakt mit dem Wirkstoff MHCP, der gezielt die reduzierte Insulin-Sensitivität des an Diabetes mellitus Erkrankten beeinflussen soll. Die im Zimtpulver enthaltenen ätherischen Öle, die gegebenenfalls Reizungen der Magenschleimhaut verursachen und ein allergenes Potential haben können, sind nicht mehr enthalten und damit auch nicht mehr die für die Geschmacksbildung primär verantwortlichen ätherischen Öle. Der Extrakt soll mithin nicht mehr bloß als eine ergänzende Ernährung des an Diabetes Erkrankten eingesetzt werden, sondern nach der erklärten Zwecksetzung in einem medizinischen Sinne zu einer Normalisierung beitragen. Aus diesem Grunde liegt es auch nahe, dass das von der Beklagten beworbene Produkt aus Sicht der angesprochenen Verbraucher, die Diabetiker, wie andere den Zuckerkranken bekannte zugelassene Medikamente zur Senkung des Blutzuckers soll eingesetzt werden können. Dabei ist festzustellen, dass die Beklagte, die den gegenteiligen Standpunkt verficht, in diesem Zusammenhang widersprüchlich argumentiert, wenn sie sich einerseits der konkret blutzuckerbeeinflussenden Wirkung ihres Mittels berühmt und dann gleichzeitig eine bloß nutritive Wirkung im Sinne eines bloßen Bekömmlichmachens von Zimt geltend macht.

Auch die vom Landgericht herangezogenen Erwägungen vermögen eine andere Beurteilung nicht zu tragen. Soweit Zimt vereinzelt auch in Arzneipräparaten ausschließlich als Kombinationspräparat etwa zur Förderung der Verdauung und zur Behandlung krampfartiger Verdauungsbeschwerden Anwendung findet, ist nicht ersichtlich, dass die Verwendung, wenn die ätherischen Öle aus dem Zimt entfernt worden sind, mit den fraglichen Polyphenolen bei einer anderen Erkrankung, hier Diabetes mellitus, nicht pharmakologischer Natur sein soll. Ebenso wenig ist primär entscheidend, dass die Wirkung lebensmitteltypisch mild und frei von erkennbaren Nebenwirkungen ist, zumal, wie sich auch aus der Regelung in § 45 AMG ergibt, eine Vielzahl von mild wirkenden, freilich freiverkäuflichen Arzneimitteln existiert. Die pharmakologische Wirkung, auf die hier abgezielt wird, wird hierdurch im Kern nicht in Frage gestellt.




Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Sachverständige E2 wie auch andere namhafte Gutachter aus ihrer Sicht davon ausgehen, dass mit E ein typisches diätetisches Lebensmittel mit pflanzlichen Sekundärstoffen vorliege, das für Diabetiker empfohlen werden könne. So führt die Sachverständige E2 aus, es sei ein typisches Lebensmittel im Rahmen eines Diätplans und kein Arzneimittel (Gutachten S. 7 f; Ergänzungsgutachten S. 3; und mündliche Erläuterung Bl. 321 f.), was vor allem auch daraus hergeleitet wird, dass die Wirkungen lebensmitteltypisch mild und frei von erkennbaren Nebenwirkungen seien (s. insbes. Ergänzungsgutachten S. 3 f.). Diese Argumente und die von ihr vorgenommene Abwägung in Bezug auf die Wirkungsstärke des Produkts und das Nebenwirkungspotential sind zwar durchaus von beachtlichem Gewicht, doch kann gleichwohl hiernach eine Überzeugung für die Annahme eines bloßen Lebensmittels nicht gewonnen werden. Denn die Sachverständige geht erkennbar von unrichtigen rechtlichen Grundlagen aus, wenn sie etwa ausführt, dass es nicht sinnvoll sei, pharmakologische Wirkung zu definieren als alles, was die physiologische Körperfunktion beeinflusse. Auf den für die Sachverständige insofern tragenden Gesichtspunkt einer lebensmitteltypischen Freiheit von Nebenwirkungen kommt es nach der Rechtssprechung des EuGH (ZLR 2004, 438; WRP 2005, 863) wie auch des BGH (WRP 2006, 736), wie oben ausgeführt, jedenfalls nicht entscheidend an. Ebenso ist widersprüchlich, wenn die Sachverständige ausführt, das Produkt habe keine pharmakologische Wirkung, wenn gleichzeitig dazu mitgeteilt wird, dass die Wirkung des Mittels auf die Senkung der Blutglucose bei deren krankhafter Erhöhung nachgewiesen sei und dass der Zimtextrakt offenbar eine Blutzuckersenkung nur verursache, wenn der Blutglucosegehalt krankhaft erhöht sei (s. Ergänzungsgutachten S. 4). Überdies argumentiert sie mitunter insofern ergebnisorientiert, als in ihre Abwägung ausdrücklich mit eingestellt wird, dass man mit einer Einstufung als Arzneimittel dem Produkt wegen der dann notwendigen Zulassung die Verkehrsfähigkeit entziehen würde (Ergänzungsgutachten S. 5). Denn hier wird zielorientiert das Ergebnis vorweggenommen, weil die Verkehrsfähigkeit von der pharmakologischen Wirkung abhängt und nicht umgekehrt diese von der Verkehrsfähigkeit. Da in erster Linie mit dem Extrakt eine gezielte Beeinflussung der Körperfunktionen bewirkt werden soll bei dem konkreten Krankheitsbild Diabetes mellitus, ist es unter Abwägung sämtlicher Umstände und Argumente allein sachgerecht, bei diesem von einem Arzneimittel auszugehen, dem pharmakologische Wirkung beizumessen ist. Das Produkt wird zu eben diesem Zweck angeboten und auch beworben, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, dass die Beklagte das Mittel selbst als ein diätetisches Lebensmittel bezeichnet. Dafür spricht ferner, dass auch die hohe Dosierung des Extraktes, insbesondere in den Sommermonaten, nicht mehr einer normalen Aufnahme des Lebensmittels Zimt entspricht und die hohe Konzentration es auch gebietet, die potentiell Nebenwirkungen verursachenden ätherischen Öle dabei zu entfernen.

Entsprechendes gilt im Hinblick auf die weiteren von der Beklagten vorgelegten Gutachten zur Abgrenzung des Zimtextrakts von einem Nahrungsergänzungsmittel oder einem diätetischen Lebensmittel. Denn diese bestätigen wiederum konkret die Zwecksetzung des Mittels, nämlich dass mit den streitgegenständlichen Kapseln konkret insulinverstärkende Wirkung bezweckt wird, mit der Folge, dass der Blutzuckerspiegel effizienter gesenkt wird (vgl. etwa Gutachten W vom 07.12.2004 S. 4; I vom 09.12.2004, S. 5). Auch der Sachverständige M zieht die Anwendbarkeit der rechtlich als Ausgangspunkt vorgegebenen Definition der pharmakologischen Wirkung als zur Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln grundsätzlich in Zweifel und führt in Bezug auf das Produkt aus, dass dessen günstige Wirkungen auf sog. Methylhydroxychalconpolymere (MHCP) des Zimtes zurückgehen dürften, die insulinmimetische Substanzen besäßen und Glucoseaufnahme sowie Glykogensynthese in ähnlicher Weise stimulierten wie Insulin (S. 15), wobei nicht zuletzt auch darauf hingewiesen wird, dass die Wirkung anders als bei ernährungswissenschaftlicher Sicht für den Pharmakologen zweifelsohne eine arzneimitteltypische Wirkung sei. Der harmonisierte Arzneimittelbegriff lässt indes keine Teilung in eine ernährungswissenschaftliche und eine pharmakologische Sicht zu, sondern erfordert eine einheitliche rechtliche Beurteilung. Ebenfalls geht I2 in seiner Anmerkung zum Urteil des OLG Celle vom 29.03.2007 (ZLR 2007, 403) von einer ernährungsphysiologischen Sicht bei der Beurteilung als diätetisches Lebensmittel aus, führt aber gleichzeitig auch aus, dass das (dortige) Produkt diätetisch-therapeutischen Zwecken diene und dass mit ihm gezielt in die beschriebenen Stoffwechselvorgänge eingegriffen werden bzw. insoweit eine günstige Beeinflussung erfolgen solle. Wenn aber richtigerweise mit der Rechtsprechung des EuGH und des BGH eine pharmakologische Manipulation der körpereigenen Funktionen als Maßstab für die hier in Rede stehende Abgrenzung maßgeblich ist, ist eine solche zu bejahen, zumal die Beklagte ihr Erzeugnis (eine solche Zweckbestimmung wird von I2 durchaus als arzneilich angesehen, a.a.O., S. 408), gegenüber dem Verbraucher mit der Zweckbestimmung zur Senkung erhöhter Blutzuckerwerte in den Verkehr gebracht hat, wie sich aus den verwendeten und mit der Klage auch beanstandeten Aussagen "Zimt gegen Zucker", "Für gute Blutzuckerwerte" und "Hält den Blutzuckerspiegel im Normbereich" ergibt. Denn es wird hierbei im Gesamtzusammenhang suggeriert, dass hiermit gute, letztlich nicht mehr krankhafte, also normale Blutzuckerwerte erreicht werden können. Insofern ist auch unmaßgeblich, dass hier von einem Halten des Blutzuckerspiegels ("hält") die Rede ist, zumal gerade erkrankte Personen angesprochen werden, die ihren Blutzuckerspiegel nicht im Normbereich haben.

Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung auf den Beschluss des OLG München vom 02.02.2007, Az. 29 W 748/07, verweist, in dem im Eilverfahren eine Einstufung als Arzneimittel nicht als hinreichend glaubhaft angesehen wurde, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass dies die Bandbreite der wechselseitigen Argumente noch nicht erfasst, zum anderen aber auch, dass wiederum nicht das Zimt-Endprodukt "in hochkonzentrierter Form", nämlich als "Spezialextrakt" (so gerade auch die Bewerbung K 5), betrachtet wird, sondern wiederum im Vordergrund eine allgemeine Verwendung des Zimts oder Zimtpulvers als bloßes Nahrungsmittel.



3. Der Vertrieb und die Bewerbung des als Arzneimittel zu bewertenden Produkts erfährt keine Rechtfertigung durch die an der EG-Richtlinie über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (RL 1999/21/EG) angepasste Diätverordnung. Problematisch ist hierbei zwar, dass gerade der "medizinisch bedingte Nährstoffbedarf" eine Voraussetzung des rechtmäßigen Inverkehrbringens bilanzierter Diäten ist, § 1 IV a S. 2 DiätVO. Indes wird mit dem Produkt E über die ernährungsphysiologische diätetische Ernährung hinaus explizit eine funktionell-manipulative Körperbeeinflussung bezweckt, die einer arzneilichen Verabreichung vorbehalten ist. Arzneimittel werden von den diätetischen Lebensmitteln unter den gleichen objektiven Kriterien abgegrenzt, die für ihre Abgrenzung von Lebensmitteln gelten. Wird ein Produkt - wie hier - mit einer arzneilichen Zweckbestimmung angeboten, so wird es nicht allein durch die Bezeichnung als "diätetisches Lebensmittel" zum Lebensmittel (Kloesel/Cyran, a.a.O., § 2 Rn. 104).

Demgemäß sind der Vertrieb und die entsprechende Bewerbung des nicht zugelassenen Produkts der Beklagten zu untersagen. Darauf, ob krankheitsbezogene Werbeaussagen im Rahmen der Publikumswerbung nach der Diätverordnung ausnahmsweise erlaubt sind (§ 18 II LMBG a.F. bzw. 12 II 2 LFGB i.V.m. § 3 Nr. 4 DiätVO), kommt es für die Unterlassungsanordnung nicht mehr an. Der Antrag zu 2), der nunmehr hilfsweise gestellt ist, ist infolge des begründeten Hauptantrags zu 1) nicht mehr zu bescheiden. Hinzuweisen ist freilich noch darauf, dass das Verbot krankheitsbezogener Werbung auch für Diätetika mit den in der DiätVO vorgesehenen Ausnahmen (§§ 3, 21 DiätVO) gilt, wobei auch in der Werbung für ein diätetisches Lebensmittel nicht - wie hier - der Eindruck erweckt werden darf, es diene der Verhütung oder Linderung bestimmter Krankheiten (Fezer-Meyer, a.a.O., § 4-S4 Rn. 292).

IV.

Der Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 139, 20 € folgt aus § 12 I 2 UWG.

V.

Eine Vorlage des Rechtsstreits beim EuGH nach Art. 234 EG-Vertrag, wie von der Beklagten beantragt, zur Klärung der Frage, ob die Frage nach einer pharmakologischen oder nutritiven Wirkung eine Tatsachen- oder eine Rechtsfrage ist, ist nicht geboten, schon deshalb, weil der Senat eine widersprüchliche Beurteilung zur Rechtsprechung des EuGH nicht zu erkennen vermag und überdies eine Überprüfung durch den BGH in Frage kommt.

VI.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Fortbildung des Rechts und der weiteren Klärung des Arzneimittelbegriffs, insbesondere des Begriffs der "pharmakologischen Wirkung, wird die Revision zugelassen, § 543 I Nr. 1, II Nr. 2 ZPO. ..."

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