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OLG Düsseldorf Urteil vom 11.08.2009 - I-20 U 41/08 - Zur Notwendigkeit des wissenschaftlichen Nachweises der Wirksamkeit eines Schlankheitsmittels
OLG Düsseldorf v. 11.08.2009: Zur Notwendigkeit des wissenschaftlichen Nachweises der Wirksamkeit eines Schlankheitsmittels
Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 11.08.2009 - I-20 U 41/08) hat entschieden:
Wird eine fachlich umstrittene Frage in die Werbung für ein Schlankheitsmittel übernommen und dort als objektiv richtig oder wissenschaftlich gesichert hingestellt, dann übernimmt der Werbende dadurch, dass er sich für eine bestimmte Auffassung entscheidet, die Verantwortung für ihre Richtigkeit. Das gilt in besonderem Maße, wenn es sich um Mittel der Gesundheitspflege handelt. Auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung erwartet der Verkehr mit Recht objektiv richtige Angaben. Wer mit einer an das Gesundheitsbewusstsein der angesprochenen Verkehrskreise appellierenden Aussage werbend hervortritt, die den Eindruck einer wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis vermittelt, übernimmt die Gewähr für deren Richtigkeit und muss daher im Streitfall die wissenschaftliche Absicherung dieser Werbeangabe auch beweisen.
Siehe auch Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel
Gründe:
I.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben auch die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Die Beklagte betreibt einen Versandhandel, ihre Produkte bewirbt sie im Fernsehen in der Form einer Dauerwerbesendung. Am 1. Januar 2006 bewarb die Beklagte in der Werbesendung „S.S.“ das Produkt „I.-W.-M.“ als ein zur dauerhaften Gewichtsreduktion durch Stimulation des Hormonhaushalts geeignetes Mittel sowie die in zweiter Instanz nicht mehr streitgegenständlichen Produkte „F.-B.n.“ und „A.-Kapseln“ der Firma N.V. B.V. unter Verwendung der im Tenor der landgerichtlichen Entscheidung wiedergegebenen Aussagen, Bl. 220 – 226 d. GA.
Der Kläger, der die aufgestellten Behauptungen für wissenschaftlich nicht belegt hält, sieht hierin eine nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch und § 5 UWG irreführende und daher wettbewerbsrechtlich unlautere Werbung. Er hat die Beklagte mit Schreiben vom 2. Februar 2006 abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Ein Erfolg war der Abmahnung nicht beschieden.
Gegen die Firma N.V. mit Sitz in den Niederlanden geht der Kläger in einem beim Landgericht Berlin anhängigen Verfahren vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 219 ff. d. GA., Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der Bewerbung der Produkte „I.-W.-M.“, „F.-B.n.“ und „A.-Kapseln“ mit den dort wiedergegebenen Aussagen und zur Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig, der Umstand, dass der Kläger gegen die Beklagte und die Herstellerin der Produkte, die Firma N.V., in getrennten Verfahren vorgehe, rechtfertige den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht. Die Notwendigkeit einer Zustellung im Ausland könne zu einer Verfahrensverzögerung führen, die unterschiedliche Interessenlage der Beklagten und der Lieferantin lasse zudem ein abweichendes Prozessverhalten erwarten. Die Klage sei begründet, die Werbung sei wettbewerbswidrig. Die Angaben über die Wirkungen der beworbenen Produkte seien sämtlich wissenschaftlich nicht belegt und deshalb irreführend.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung, soweit sie zur Unterlassung der auf das Produkt „I.-W.-M.“ bezogenen, im Tenor der landgerichtlichen Entscheidung unter Ziffer I. 1.1. bis 1.13. wiedergegebenen Aussagen, Bl. 220 – 224 d. GA., sowie zur Zahlung der Abmahnkosten verurteilt worden ist.
Unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen trägt die Beklagte vor, die Klage sei bereits unzulässig, das getrennte Vorgehen gegen sie und die Firma N.V. sei rechtsmissbräuchlich. In beiden Verfahren seien die gleichen Werbeaussagen vom gleichen Sendetag streitgegenständlich. Die Klage sei aber auch unbegründet. So habe sie schon in der Klageerwiderung vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Möglichkeit einer Gewichtsreduktion durch eine hormongesteuerte Regulierung des Stoffwechsels inzwischen sehr wohl wissenschaftlich anerkannt sei. Das Landgericht habe die von ihr vorgelegte Studie zur Wirksamkeit des Produkts „I.-W.-M.“ nicht beachtet und den von ihr angebotenen Sachverständigenbeweis zu Unrecht übergangen.
Der Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung und Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2007 (Az. 38 O 118/06) die Klage hinsichtlich der Klageanträge zu Ziffer I.1. (1.1. bis einschließlich 1.13.) und Ziffer II. abzuweisen,
hilfsweise,
unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2007 (Az. 38 O 118/06) die Sache hinsichtlich Ziffer I.1. (1.1. bis einschließlich 1.13.) und Ziffer II. zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten im Hinblick auf die Verurteilung des Landgerichts Düsseldorf zu Ziffer I.1. und II. zurückzuweisen und im Übrigen als unzulässig zu verwerfen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Hinsichtlich der Ziffern I.2. und I.3. der Verurteilung sei Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Berufung sei zunächst umfassend eingelegt und erst nachfolgend auf die Verurteilung zu Ziffer I.1. und II. beschränkt worden. Im Übrigen sei die Berufung unbegründet. Rechtsmissbräuchliches Vorgehen könne ihm nicht vorgehalten werden. Schon der Geschäftssitz der Firma N.V. in den Niederlanden rechtfertige eine getrennte Inanspruchnahme. Es komme noch hinzu, dass die Firma N.V. B.V. bewusst gegründet worden sei, um sich den vom Kläger gegen die frühere N.V. GmbH in E. erwirkten Titel zu entziehen. So habe eine am 10. Juni 2006 vor dem Landgericht Berlin erwirkte einstweilige Verfügung unter der Firmenanschrift nicht zugestellt werden können. Die damals noch mögliche Zustellung unter der Privatanschrift des Geschäftsführers sei inzwischen durch eine Wohnsitzverlegung nach Belgien weiter erschwert. Was die angebliche wissenschaftliche Absicherung der Wirksamkeit des Produkts betreffe, stamme die eine Veröffentlichung von einer Journalistin und Autorin von Ratgebern, die andere, die angebliche Pilotstudie, nenne ihre Autoren nicht und sei nie veröffentlicht worden. Dem Beweisantritt der Beklagten sei das Landgericht zu Recht nicht weiter nachgegangen. Die Frage der hinreichenden wissenschaftlichen Absicherung könne nicht mit einem Beweisantritt geklärt werden. Es sei Sache des Werbenden für eine hinreichende Tatsachengrundlage zu sorgen, bevor er seine Werbebotschaften aufstellt.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie war von Anfang an auf die das Produkt „I.-W.-M.“ betreffenden Aussagen sowie die Abmahnkosten beschränkt.
Gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird. Der Berufungsführer kann folglich bis zur Einreichung der Berufungsbegründung offen lassen, ob er das Urteil insgesamt angreift oder ob er seinen Angriff auf einen Teil beschränkt, sofern er diese innerhalb der – gegebenenfalls verlängerten – Berufungsbegründungsfrist einreicht. Die sich hieraus ergebende Verlängerung der Zeitspanne, in der der Berufungsgegner nicht weiß, inwieweit das von ihm erstrittene erstinstanzliche rechtskräftig wird, ist Ausfluss der gesetzlichen Regelung und als solcher hinzunehmen.
In der Sache hat die Berufung der Beklagten jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Beklagten die streitgegenständliche Werbung zu Recht untersagt und sie zur Zahlung der Abmahnkosten verurteilt.
Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungs- und anspruchsberechtigt.
Die Voraussetzungen der Angehörigkeit einer erheblichen Zahl von Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und einer für die Wahrnehmung seiner satzungsgemäßen Aufgabe erforderlichen personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung betreffen nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis (BGH, GRUR 2006, 873, 874 – Augenoptiker-Mittelstandsvereinigung) und sind daher von Amts wegen zu prüfen.
Vorliegend unterliegt die Klagebefugnis keinen Bedenken. Für die Annahme der Angehörigkeit einer erheblichen Zahl auf dem einschlägigen Markt tätiger Mitglieder reicht es aus, wenn diese Mitglieder als Unternehmen – bezogen auf den maßgeblichen Markt – in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann; es kommt nicht entscheidend darauf an, ob den Verbandsmitgliedern nach Anzahl, Bedeutung oder Umsatz im Verhältnis zu allen auf diesem Markt tätigen Unternehmen eine repräsentative Stellung zukommt (BGH, GRUR 2009, 692, 693 – Sammelmitgliedschaft VI). Das der Kläger diese Voraussetzung erfüllt, ist dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt und wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Für das Vorhandensein der erforderlichen personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung spricht beim Kläger, der seit vielen Jahren einschlägig tätig ist und in dieser Zeit immer als entsprechend ausgestattet angesehen worden ist (vgl. BGH, NJW 2006, 2630 – Arzneimittelwerbung im Internet), eine tatsächliche Vermutung (BGH, GRUR 1997, 476 – Geburtstagswerbung II).
Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs im vorliegenden Verfahren ist auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Der Umstand, dass der Kläger wegen derselben Werbung zum einen mit dem vorliegenden Verfahren gegen die Beklagte und zum anderen vor dem Landgericht Berlin gegen die Lieferantin, die Firma N.V. B.V., vorgeht, rechtfertigt den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von einem Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (BGH, GRUR 2006, 243 – MEGA SALE). Diese müssen nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, ausreichend ist es, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH a.a.O.). Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich unter anderem daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (BGH a.a.O.).
Voraussetzung für einen auf die Anstrengung getrennter Verfahren gestützten Vorwurf ist demnach, dass eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Die streitgenössische Inanspruchnahme von Beklagter und N.V. wäre für die Klägerin mit Nachteilen verbunden gewesen. Das Landgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme einer im Ausland ansässigen Partei, nämlich der niederländischen N.V. B. V., regelmäßig mit gewissen zeitlichen Nachteilen verbunden ist, was eine aufgespaltene Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als zulässig erscheinen lässt. Dem hat sich der Senat bereits in einem früheren, gegen den Geschäftsführer der N.V. B.V. gerichteten Verfahren angeschlossen (Senat, Urteil vom 27. März 2007, Az. I-20 U 118/06). Dies gilt, zumal da es nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin im Verhältnis zur N.V. in der Vergangenheit bereits zu Zustellungsproblemen gekommen ist, die letztlich nur durch die Zustellung an den Geschäftsführer persönlich überwunden werden konnten. Inzwischen hat jedoch auch er seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Es ist legitim, gegen zwei Verletzer in getrennten Verfahren vorzugehen, wenn nur so sichergestellt ist, wenigstens zu einem Titel zeitnah zu kommen.
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Bewerbung des Produkts „I.-W.-M.“ mit den im Tenor des erstinstanzlichen Urteils unter Ziffer I.1.1. bis 1.13. wiedergegebenen Aussagen aus § 8 Abs. 1 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 5 UWG und §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB.
Die Bewerbung des Produkts „I.-W.-M.“ mit diesen Aussagen ist irreführend und daher wettbewerbswidrig gemäß §§ 3, 5 UWG, weil die Aussagen als feststehend hingestellt werden, obwohl sie in Wirklichkeit nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen.
Die Beklagte hat den ihr obliegenden Nachweis einer fundierten wissenschaftlichen Absicherung nicht erbracht. Der allgemeine Grundsatz, dass der Kläger alle sein Begehren tragenden Tatsachen beweisen muss, findet vorliegend keine Anwendung. Wird eine fachlich umstrittene Frage in die Werbung übernommen und dort als objektiv richtig oder wissenschaftlich gesichert hingestellt, dann übernimmt der Werbende dadurch, dass er sich für eine bestimmte Auffassung entscheidet, die Verantwortung für ihre Richtigkeit (BGH, GRUR 1971, 153, 155 – Tampax). Das gilt in besonderem Maße, wenn es sich um Mittel der Gesundheitspflege handelt. Auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung erwartet der Verkehr mit Recht objektiv richtige Angaben. Wer mit einer an das Gesundheitsbewusstsein der angesprochenen Verkehrskreise appellierenden Aussage werbend hervortritt, die den Eindruck einer wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis vermittelt, übernimmt die Gewähr für deren Richtigkeit und muss daher im Streitfall die wissenschaftliche Absicherung dieser Werbeangabe auch beweisen (BGH, GRUR 1991, 848, 849 – Rheumalind II).
Bei der ihm obliegenden Beweisführung, dass die aufgestellten Behauptungen gesicherten wissenschaftlichen Kenntnissen entsprechen, kann sich der Werbende auch nur auf im Zeitpunkt der Werbung bereits vorliegende und ihm bekannte Erkenntnisse stützen, eine Führung des Beweises der Richtigkeit seiner Behauptungen durch erst zu gewinnende wissenschaftliche Erkenntnisse kommt nicht in Betracht. Die Zulassung einer Führung des Beweises durch erst zu gewinnende wissenschaftliche Erkenntnisse liefe darauf hinaus, dem Werbenden zu ermöglichen, eine Wirksamkeit erst einmal auf „gut Glück“ zu behaupten. Zum einen würde hierdurch der klagende Mitbewerber oder Verband einem erheblichen Kostenrisiko ausgesetzt, da er mit den Kosten einer umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung belastet würde, wenn sich die Behauptung des Werbenden erst durch ein solches Sachverständigengutachten als richtig herausstellen sollte. Vorliegend müsste eine repräsentative Anzahl von übergewichtigen Personen im Rahmen einer sogenannten Doppelblindstudie in zwei Gruppen eingeteilt werden, von denen die eine das Produkt „I.-W.-M.“ und die andere lediglich ein Placebo erhält. Dabei müssen die unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten berücksichtigt und jeweils in repräsentativer Zahl in beiden Gruppen vertreten sein. Eine solche Studie kann leicht fünfstellige Beträge verschlingen. Ein Risiko, dass viele Mitbewerber von einem Vorgehen ganz abhalten würde. Zum anderen würde dem Werbenden gestattet, auf Kosten der Gesundheit der Verbraucher quasi „Roulette zu spielen“. Letzteres ist entscheidend. Nur bei einer Beschränkung auf im Zeitpunkt der Werbung bereits vorliegende und bekannte Erkenntnisse kann der Grundsatz, auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, bei dem die Gefahr von Schäden besonders groß ist, nur solche Werbeangaben zuzulassen, die gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH, GRUR 1971, 153, 155 – Tampax), umfassend verwirklicht werden (Senat, Urteil vom 13. Nov. 2007, Az. I-20 U 172/06, BeckRS 2008 03329). Dies hat auch für die Bewerbung eines Produktes als zur Gewichtsreduktion geeignet zu gelten, da hierdurch auch Personen mit einem ihre Gesundheit gefährdenden Grad an Übergewichtigkeit davon abgehalten werden könnten, dringend notwendige andere Maßnahmen zur Gewichtsreduktion zu unterlassen.
Dass die Beklagte sich bereits bei Vornahme der streitgegenständlichen Behauptungen auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen konnte, vermag der Senat nicht festzustellen. Die als Anlagen B 8, BK 1 und BK 2 vorgelegten Artikel sind allgemeine Abhandlungen über Hormone und deren Einfluss auf den Fetthaushalt des Körpers, die sich mit dem Produkt „I.-W.-M.“ selbst überhaupt nicht befassen. Relevant ist aber allein der Nachweis der Wirksamkeit des konkret beworbenen Produkts. Im Übrigen sind solche Artikel als wissenschaftliche Absicherung untauglich. Ein Artikel kann eine Hilfestellung zum Auffinden von wissenschaftlichen Untersuchungen liefern, wenn er seine Quellen nennt, eine Auseinandersetzung mit den Untersuchungen selbst vermag er jedoch nicht zu ersetzen. Das Gericht darf sich nicht darauf beschränken, Äußerungen von Wissenschaftlern unbesehen zu glauben, es muss sie vielmehr für die Gewinnung der erforderlichen richterlichen Überzeugung auch nachvollziehen können. Die als Anlage B 9 vorgelegte „Pilotstudie“ genügt grundlegenden Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit nicht. So lässt die Studie ihre Autoren nicht erkennen. Es begründet ernsthafte Zweifel an der Seriosität einer Untersuchung, wenn ihre Autoren nicht bereit sind, mit ihrem Namen und damit mit ihrer wissenschaftlichen Reputation für die Untersuchung einzustehen. Die Studie ist auch nicht veröffentlicht worden. Eine Veröffentlichung ist Grundvoraussetzung für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung (BGH, GRUR 2009, 75, 78 – Priorin). Nur eine Studie, die in der wissenschaftlichen Gemeinde bekannt gemacht worden ist, kann Gegenstand einer kritischen Auseinandersetzung sein. Solange eine kritische Auseinandersetzung mit ihr und ihren Ergebnissen nicht erfolgt ist, kann nicht beurteilt werden, ob die Erkenntnisse als wissenschaftlich gesichert anzuerkennen sind oder ob sie sich als wissenschaftlich unhaltbar erwiesen haben. Wegen dieser Mängel erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Methodik und (sehr schmalen) Datenbasis der „Pilotstudie“.
Der Unterlassungsanspruch ergibt sich auch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFMG.
Die streitgegenständliche Werbung verstößt gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFMG, da dem beworbenen Produkt eine Wirksamkeit beigelegt wurde, die wissenschaftlich nicht belegt ist. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFMG ist es verboten, Lebensmittel unter Angabe von Wirkungen zu bewerben, die wissenschaftlich nicht ausreichend gesichert sind. Insoweit ist die aktuelle Gesetzesfassung gegenüber der im Zeitpunkt der Werbung geltenden unverändert. Hinsichtlich der Anforderungen und der Beweislast kann insoweit nichts anderes gelten als im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Prüfung. Der Verstoß gegen das Lebens- und Futtermittelgesetz ist unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs, § 4 Nr. 11 UWG, auch wettbewerbswidrig. Die Vorschrift § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFMG dient jedenfalls auch der Regelung des Marktverhaltens im Interesse der Marktteilnehmer. Hierzu gehört jede Regelung, die in ihrem Geltungsbereich das gleichförmige Auftreten der Wettbewerber mit ihren Produkten am Markt gebietet und die dem Schutz des Verbrauchers dient (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dez. 2003, Az. I ZR 119/03). Dies trifft auch auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFMG zu (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 27. Aufl., § 4 Rn. 11 136).
Der Kläger hat gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Abmahnung. Die Abmahnung war berechtigt. Der Kläger hat, wie ausgeführt, einen Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Werbung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung steht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesundheitsbezogenen Werbung, auch ein Widerspruch zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht ersichtlich.
Der Streitwert für die erste Instanz wird in Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung auf 50 000,00 Euro, der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25 000,00 Euro festgesetzt. Dem Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Bewerbung des Produkts „IQ-W.-M.“ kommt eine größere Bedeutung zu, als jeweils den auf die Unterlassung der Bewerbung der beiden anderen Produkte gerichteten. Neben der Vielzahl der auf das Produkt „I.-W.-M.“ bezogenen Werbeaussagen ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass diese Werbung die wichtigste Zielgruppe hat. Die Kosten der Abmahnung bleiben als Nebenforderung außer Betracht (BGH, NJW 2007, 3289).