Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OVG Sachsen in Bautzen Beschluss vom 26.02.2008 - 3 BS 333/0 - Zur Kennzeichnung von Lebensmittelzusatzstoffen im Online-Angebot

OVG Bautzen v. 26.02.2008: Zur Kennzeichnung von Lebensmittelzusatzstoffen im Online-Angebot


Das OVG Sachsen in Bautzen (Beschluss vom 26.02.2008 - 3 BS 333/06) hat entschieden:
  1. Bei Lebensmitteln in Fertigpackungen sind die Zusatzstoffe im Sinne des § 9 Abs. 1 ZZulV und der Zusatzstoff Koffein auch dann auf Angebotslisten im Versandhandel kenntlich zu machen, wenn sich auf den Fertigpackungen ein vollständiges Zutatenverzeichnis im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung befindet.

  2. Gleiches gilt für Lebensmittel, die über einen Aushang im Geschäftslokal angeboten werden, wenn der Aushang als Speise- und Getränkekarte wie in einer Gaststätte fungiert und sich der Verbraucher nicht anhand der ausgestellten, fertig verpackten Lebensmittel mit aufgedrucktem Zutatenverzeichnis über die enthaltenen Zusatzstoffe informieren kann.



Siehe auch Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel


Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet.

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 27.10.2006 gegen die Ziffern 1. bis 3. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 9.10.2006 wiederherzustellen, womit der Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs (Ziffer 5. dieses Bescheides) verpflichtet wird, in den Angebotslisten (Flyern) seines Pizza-Lieferdienstes sowie im Aushang in seiner Produktionsstätte beim Getränk „Afri Cola“ durch die Angaben „mit Koffein, mit Farbstoff“ sowie bei den Eiscremes „Crispy Macadamia Cup“ und „Big Vanilla Choc“ durch die Angabe „mit Farbstoff“ auf solche Lebensmittelzusatzstoffe gemäß § 9 der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung (ZZulV) hinzuweisen. Ebenso zutreffend hat das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt, soweit in Ziffer 6. des Bescheides für den Fall der Nichterfüllung der Ziffern 1. bis 3. jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 150,00 € angedroht wird.

Die dagegen vom Antragsteller mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, sind nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts diesbezüglich in Frage zu stellen. Denn daraus ergibt sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht, dass der Bescheid vom 9.10.2006 insoweit rechtswidrig ist und unter Berücksichtigung dessen im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das private Interesse des Antragstellers, den Vollzug dieses Bescheides insoweit auszusetzen, das öffentliche Interesse des Antragsgegners überwiegt, den Bescheid diesbezüglich sofort zu vollziehen (unten 1.).

Aus den mit der Beschwerde vorgetragenen Gründen ergibt sich anhand dieses Maßstabs allerdings, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 4. des Bescheides vom 9.10.2006 hätte wiederherstellen müssen, womit der Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzug (Ziffer 5. des Bescheides) verpflichtet wird, in seinen Angebotslisten und im Aushang im Geschäftslokal auch bei den Tortellini durch die Angabe „mit Geschmacksverstärker“ auf einen solchen Lebensmittelzusatzstoff gemäß § 9 ZZulV hinzuweisen. Dementsprechend hätte das Verwaltungsgericht auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen müssen, soweit dieser sich gegen das in Ziffer 6. des Bescheides für den Fall der Nichterfüllung von Ziffer 4. angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 150,00 € richtet (unten 2.).

Dahinstehen kann hierbei jedoch, ob das Verwaltungsgericht das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt hat, dass es ihm vor Erlass des angegriffenen Beschlusses vom 19.12.2006 keine Gelegenheit mehr gegeben hat, sich zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 14.12.2006 und zur beigefügten fachlichen Stellungnahme vom 29.11.2006 zu äußern. Denn dies hat der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung umfänglich getan, ohne dass hieraus Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bezüglich der Ziffern 1. bis 3. (i.V.m. den Ziffern 5. und 6.) des Bescheides vom 9.10.2006 folgen, während bezüglich Ziffer 4. (i.V.m. den Ziffern 5. und 6.) des Bescheides die Rechte des Antragstellers durch die Beschwerdeentscheidung gewahrt werden.

1. Hinsichtlich der Ziffern 1. bis 3. des Bescheides hat die Beschwerde danach keinen Erfolg.

a) Zu Unrecht wendet der Antragsteller gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein, die Ziffern 1. bis 3. des Bescheides vom 9.10.2006 seien rechtswidrig, weil auf seinen Flyern und dem Aushang im Geschäftslokal die Angabe „mit Farbstoff“ bei den Lebensmitteln „Afri Cola“, „Crispy Macadamia Cup“ und „Big Vanilla Choc“ entfallen könne, da er diese Lebensmittel – unstreitig – in Fertigpackungen mit vollständigem Zutatenverzeichnis im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) abgebe.

Zwar trifft es zu, dass gemäß § 9 Abs. 8 Nr. 2 ZZulV bei Lebensmitteln in Fertigpackungen, auf denen – wie hier – ein vollständiges Zutatenverzeichnis im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung angegeben ist, die Angaben nach § 9 Abs. 1 ZZulV entfallen können, hier mithin die Angabe „mit Farbstoff“ gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ZZulV. Jedoch geht aus § 9 Abs. 8 Nr. 2 ZZulV nicht eindeutig hervor, ob in einem solchen Fall die Angaben nach § 9 Abs. 1 ZZulV stets auch bei den in § 9 Abs. 6 Satz 2 ZZulV besonders geregelten Arten der Abgabe von Lebensmitteln (etwa im Versandhandel) entfallen können. Denn in § 9 Abs. 8 Nr. 2 ZZulV fehlt (etwa im Unterschied zu § 9 Abs. 8 Nr. 3 ZZulV) jeder Bezug zu einer bestimmten Art der Abgabe von Lebensmitteln, so dass sich diese Regelung ihrem Wortlaut nach auch nur auf diejenigen Angaben nach § 9 Abs. 1 ZZulV beziehen könnte, die bei dem Lebensmittel selbst anzubringen sind und deshalb durch das Zutatenverzeichnis im Sinne der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung ersetzt werden können. Dafür spricht auch, dass § 9 Abs. 8 ZZulV nur auf § 9 Abs. 1 ZZulV nicht aber auf § 9 Abs. 6 ZZulV verweist, auch wenn dem andererseits entgegengehalten werden könnte, dass ein solcher Verweis nicht nötig sei, weil § 9 Abs. 6 ZZulV nur regelt, wie (Satz 1) und wo (Sätze 2 und 3) die Angaben nach § 9 Abs. 1 ZZulV anzubringen sind. Dies würde jedoch wiederum unberücksichtigt lassen, dass § 9 Abs. 6 Satz 2 ZZulV nicht nur regelt wo, sondern auch bei welchen besonderen Arten der Abgabe von Lebensmitteln die Angaben nach § 9 Abs. 1 ZZulV anzubringen sind. In der amtlichen Begründung des Verordnungsgebers heißt es dazu nur, dass bei Lebensmitteln in Fertigpackungen, bei denen ein Zutatenverzeichnis angegeben ist, die Angabe der Zusatzstoffe dort ausreicht (BR-Drs. 356/97, S. 130 [zu § 9]). Auch dies könnte sowohl dafür sprechen, dass die Angaben nach § 9 Abs. 1 ZZulV bei allen Arten der Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 9 Abs. 6 Satz 2 ZZulV entfallen können, als auch dafür, dass dies nur dann der Fall sein soll, wenn das Zutatenverzeichnis die Angaben nach § 9 Abs. 1 ZZulV tatsächlich ersetzen kann, mithin wenn die Angaben nach § 9 Abs. 1 ZZulV am Lebensmittel oder seiner Verpackung selbst anzubringen sind.

Geben somit weder Wortlaut, Systematik noch die Begründung des Verordnungsgebers hinreichend Auskunft über die Reichweite der Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 8 Nr. 2 ZZulV, lässt sich dies nur nach Sinn und Zweck des § 9 ZZulV beantworten. Zumindest in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Lebensmittel sowohl aufgrund von Angebotslisten (Flyern) telefonisch bestellt und sodann ausgeliefert oder vom Kunden selbst abgeholt werden als auch über einen Aushang im Geschäftslokal vor Ort ausgewählt und mitgenommen oder – möglicherweise – noch im Lokal verzehrt werden können, ist es danach zum Schutz der Verbraucher erforderlich, dass die Angaben nach § 9 Abs. 1 ZZulV gemäß § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 und 5 ZZulV sowohl auf den Angebotslisten (den Flyern) als auch auf einem Aushang im Geschäftslokal angebracht sind, selbst wenn die angebotenen Lebensmittel fertig verpackt und mit einem vollständigen Zutatenverzeichnis versehen sind. Insoweit trifft § 9 Abs. 6 ZZulV nach Sinn und Zweck des § 9 ZZulV eine eigenständige, von § 9 Abs. 8 ZZulV nicht erfasste und die Vorschrift des § 9 Abs. 1 ZZulV erweiternde, zusätzliche Regelung zur Kenntlichmachung von Zusatzstoffen in Lebensmitteln, jedenfalls soweit die Lebensmittel im Versandhandel oder in Gaststätten abgegeben werden (im Ergebnis ebenso für die hier nicht einschlägige Ausnahme von der Kenntlichmachungspflicht bei Lebensmitteln ohne vollständiges Zutatenverzeichnis auf einer Fertigpackung gemäß § 9 Abs. 8 Nr. 3 ZZulV: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: August 2007, C 120 § 9 Rn. 18; VG Düsseldorf, Urt.v. 23.6.2005 – 16 K 1016/04 –, zitiert nach Juris, nicht rechtskräftig, anhängig: OVG NRW – 13 A 2903/05 –).

Ob dies auch für die Abgabe von Lebensmitteln in Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung gemäß § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 6 ZZulV gilt, bedarf hingegen keiner Entscheidung, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Mangels Regelung im Bescheid vom 9.10.2006 steht im Übrigen auch die vom Antragsteller offensichtlich zusätzlich betriebene Abgabe der Lebensmittel aufgrund einer Angebotsliste im Internet nicht in Streit und kann daher dahinstehen.

Die Notwendigkeit, auf Angebotslisten im Sinne des § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 ZZulV und auf Speise- und Getränkekarten im Sinne des § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 ZZulV die Zusatzstoffe nach § 9 Abs. 1 ZZulV auch dann kenntlich zu machen, wenn die Lebensmittel in Fertigpackungen mit einem vollständigen Zutatenverzeichnis im Sinne des § 9 Abs. 8 Nr. 2 ZZulV abgegeben werden, folgt daraus, dass dem Verbraucher nicht zugemutet werden kann, Lebensmittel aufgrund solcher Listen zu bestellen, aber die nach § 9 Abs. 1 ZZulV erforderlichen Informationen über enthaltene Zusatzstoffe erst nach Übergabe des bestellten Lebensmittels zu erhalten und dann gegebenenfalls den regelmäßig schon getätigten Kauf wieder rückgängig machen zu müssen. Der bereits in § 9 Abs. 1 ZZulV selbst ausdrücklich verankerte, auch aus der ursprünglich maßgeblichen Verordnungsermächtigung in § 16 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) folgende verbraucherschützende Charakter der Vorschrift beschränkt sich dabei nicht nur auf den Schutz vor Gesundheitsgefahren. Vielmehr ist Gegenstand des Verbraucherschutzes im Sinne dieser Vorschrift auch der Schutz vor Täuschung beim Verkehr mit Lebensmitteln, wie der nunmehr geltende § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) zeigt, der nur zum Erlass einer Rechtsverordnung über die Kenntlichmachung von Zusatzstoffen in Lebensmitteln ermächtigt, soweit dies zur Erfüllung der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. Abs. 2 LFGB genannten Zwecke, mithin zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsgefahren und vor Täuschung beim Verkehr mit Lebensmitteln, erforderlich ist.

Dieser Schutz würde erheblich verkürzt, wenn die erforderlichen Informationen dem Verbraucher erst nach Bestellung und Lieferung des Lebensmittels, mithin erst nach dessen Erwerb, zur Verfügung stünden. Dann könnte zwar möglichen Gesundheitsgefahren, etwa infolge einer individuellen Überempfindlichkeit gegenüber dem jeweiligen Zusatzstoff, noch durch Verzicht auf den Verzehr begegnet werden, so dass unabhängig vom diesbezüglichen Beschwerdevorbringen der Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes für die Frage, ob der Verbraucher die nach § 9 Abs. 1 ZZulV erforderlichen Informationen schon bei Bestellung der Lebensmittel oder erst bei Übergabe (vor Verzehr) erhalten muss, keine Rolle spielt. Jedoch wäre ungeachtet dessen dem Schutz des Verbrauchers nicht gedient, wenn ihm zugemutet würde, ein Lebensmittel zu erwerben, das er aus gesundheitlichen Gründen nicht verzehren kann. Gleiches gilt unabhängig von individuell bestehenden Gesundheitsgefahren auch dann, wenn der Gehalt an kenntlich zu machenden Zusatzstoffen die Erwerbsentscheidung des Verbrauchers aus sonstigen persönlichen Gründen beeinflusst. Denn der Gesetzgeber hat mit der generellen Pflicht zur Kenntlichmachung bestimmter Zusatzstoffe bei der Abgabe von Lebensmitteln an Verbraucher zum Ausdruck gebracht, dass diese Stoffe unabhängig von individuellen Gesundheitsgefahren geeignet sind, die Kaufentscheidung der Verbraucher zu beeinflussen, so dass es nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen der Gehalt von Zusatzstoffen für den Erwerb des Lebensmittels durch den einzelnen Verbraucher relevant ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Gesetz dem Verbraucher ein Recht auf Information über die enthaltenen Zusatzstoffe einräumt und dass dieses Recht weitgehend leer laufen würde, falls der Verbraucher die nötige Information erst nach Erwerb des Lebensmittels erhält und so auf den unsicheren Weg einer gegebenenfalls nötigen Rückabwicklung verwiesen würde.

Hinzu kommt, dass der Verbraucher aufgrund der Regelung in § 9 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 und 5 ZZulV bei Bestellung anhand einer Angebotsliste im Versandhandel bzw. anhand einer Speise- und Getränkekarte in Gaststätten grundsätzlich erwarten kann, dass die Zusatzstoffe im Sinne des § 9 Abs. 1 ZZulV kenntlich gemacht sind. Ob die oder zumindest einige der in solchen Listen angebotenen Lebensmittel hingegen nicht nur fertig verpackt, sondern auch mit einem vollständigen Zutatenverzeichnis versehen sind, was nicht notwendig aus dem Vorhandensein einer Fertigpackung folgt (vgl. § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 6 Nr. 2 LMKV), kann der Verbraucher demgegenüber in der Regel anhand von Angebotslisten oder Speise- und Getränkekarten nicht erkennen. Aufgrund dessen ist das Anbieten von Lebensmitteln in Fertigpackung ohne Kenntlichmachung der Zusatzstoffe in solchen Listen irreführend, d.h. zur Täuschung des Verbrauchers geeignet, selbst wenn an der Fertigpackung ein vollständiges Zutatenverzeichnis angebracht ist, weil ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher anhand von Angebotslisten oder Speise- und Getränkekarten typischerweise nicht erkennen kann, ob ein Ausnahmefall im Sinne von § 9 Abs. 8 Nr. 2 ZZulV vorliegt, und daher ohne Kenntlichmachung der enthaltenen Zusatzstoffe schon bei der Bestellung mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen würde, dass das bestellte Lebensmittel keine Zusatzstoffe im Sinne des § 9 Abs. 1 ZZulV enthält (zum Begriff der Irreführung bei der Etikettierung von Lebensmitteln vgl. BVerwG, Beschl.v. 18.10.2000, LRE 40, 166 ff.). Da zudem das Gesetz nicht vorschreibt, Lebensmittel in Angebotslisten sowie in Speise- und Getränkekarten als fertig verpackt oder als mit einem vollständigen Zutatenverzeichnis versehen zu kennzeichnen, ist somit zum Schutz des Verbrauchers vor Täuschung schon bei der Bestellung von Lebensmitteln anhand solcher Listen in diesen die Unterrichtung über enthaltene Zusatzstoffe im Sinne des § 9 Abs. 1 ZZulV auch dann erforderlich, wenn das angebotene Lebensmittel mit einer Fertigpackung versehen ist, auf der sich ein vollständiges Zutatenverzeichnis befindet.

Vor diesem Hintergrund kann dem Antragsteller auch nicht darin gefolgt werden, dass der Verbraucher vor der Bestellung anhand einer Angebotsliste oder Speise- und Getränkekarte nachfragen könne, ob Zusatzstoffe nach § 9 Abs. 1 ZZulV enthalten sind. Denn da der Verbraucher – wie ausgeführt – in der Regel nicht erkennen kann, welche der angebotenen Lebensmittel ein vollständiges Zutatenverzeichnis auf ihrer Verpackung tragen, würde ihm zugemutet, vorbeugend bei einer Vielzahl von Lebensmitteln nach enthaltenen Zusatzstoffen zu fragen. Damit würde die Kenntlichmachungspflicht nach § 9 Abs. 1 ZZulV weitgehend überflüssig, die es dem Verbraucher gerade ermöglicht, sich selbst anhand des schriftlichen Angebots über die enthaltenen Zusatzstoffe zu informieren, ohne zusätzlich nachfragen zu müssen.

Zu Unrecht verweist der Antragsteller schließlich auf die Situation in sog. „Tante-Emma-Läden“, an Marktständen oder Kiosken, wo im Gegensatz zu Selbstbedienungsläden das Zutatenverzeichnis auf einem Lebensmittel ebenso erst nach Kaufabschluss einsehbar sei und deshalb eine vorherige Nachfrage erfolgen müsse. Selbst wenn es in derartigen oder anderen Lebensmittelgeschäften keine Selbstbedienung gibt, erfolgt die Kaufentscheidung dort typischerweise nicht nach vorher verteilten Angebotslisten oder einer ausgehängten Speise- oder Getränkekarte (sonst würde diesbezüglich nichts anders gelten als für den Antragsteller), sondern anhand der tatsächlich ausgestellten Lebensmittel, so dass der Verbraucher hier von vornherein nur die Möglichkeit hat, vor dem Kauf die verlangte Ware selbst und damit das Zutatenverzeichnis in Augenschein zu nehmen. Werden jedoch – wie hier – Lebensmittel aufgrund von Angebotslisten oder einer (ausgehängten) Speise- und Getränkekarte verkauft, bilden typischerweise diese Listen und nicht die Informationen auf der Verpackung des Lebensmittels die Grundlage der Kaufentscheidung, selbst wenn die Zusatzstoffe auch gesondert erfragt werden könnten, was jedoch – wie dargelegt – in diesen Fällen dem Verbraucherschutz nicht hinreichend Rechnung trüge.

Dementsprechend findet § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 ZZulV hinsichtlich der in Form von Flyern verteilten Angebotslisten ungeachtet der Möglichkeit Anwendung, die telefonisch bestellten Lebensmittel auch selbst abzuholen. Denn es besteht unter dem für die Kenntlichmachung der Zusatzstoffe maßgeblichen Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes im dargelegten Sinn kein Unterschied zwischen der Abgabe der Lebensmittel im Versandhandel (telefonische Bestellung und Auslieferung der Lebensmittel aufgrund der Flyer) und der Selbstabholung der Lebensmittel durch den Kunden nach vorheriger telefonischer Bestellung anhand der Flyer, so dass § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 ZZulV insoweit zumindest entsprechend gilt (a.A. offenbar: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: August 2007, C 120 § 9 Rn. 61). Ebenso ist § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 ZZulV nicht nur anwendbar, wenn aufgrund des Aushangs im Geschäftslokal die Lebensmittel vor Ort bestellt und noch im Geschäftslokal verzehrt werden können, was den Gaststättenbegriff im Sinne des § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 ZZulV erfüllen würde (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Rn. 62 sowie § 1 Abs. 1 GaststättenG), sondern entsprechend auch dann, wenn die anhand des Aushangs vor Ort bestellten Lebensmittel, anstatt im Lokal verzehrt, lediglich mitgenommen werden (vgl. auch § 7 Abs. 2 GaststättenG). Dass der Antragsteller die streitigen Lebensmittel hingegen im Geschäftslokal selbst ausstellt und diese deshalb dort nicht nur mittels des Aushangs anbietet, so dass sich der Verbraucher anhand der ausgelegten Ware und des aufgedruckten Zutatenverzeichnisses über die enthaltenen Zusatzstoffe informieren könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass hinsichtlich des Aushangs im Geschäftslokal, der insoweit als Speise- und Getränkekarte fungiert, nichts anderes gelten kann als hinsichtlich der Angebotslisten (Flyer).

b) Ist danach bei den Lebensmitteln „Afri Cola“, „Crispy Macadamia Cup“ und „Big Vanilla Choc“ die Angabe „mit Farbstoff“ auf den Flyern und dem Aushang im Geschäftslokal erforderlich, gilt dies auch hinsichtlich der weiteren Angabe „mit Koffein“ bei der „Afri Cola“.

Zwar ergibt sich das Erfordernis der Angabe „mit Koffein“ nicht aus § 9 ZZulV, sondern aus § 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über koffeinhaltige Erfrischungsgetränke (KoffeinV), wonach auch die im gewerblichen Verkehr verwendeten Aufmachungen sowie alle der geschäftlichen Werbung dienenden Angaben keinen Zweifel über den Koffeingehalt zulassen dürfen, während der von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 9.10.2006 zitierte § 1 Abs. 1 Satz 1 KoffeinV vorliegend gemäß § 1 Abs. 3 KoffeinV keine Anwendung findet, da die „Afri Cola“ als fertig verpacktes Lebensmittel nach den Vorschriften der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung zu kennzeichnen ist. Jedoch ist § 1 Abs. 1 Satz 2 KoffeinV im Ergebnis nicht anders auszulegen als § 9 ZZulV, da für den Verbraucher Zweifel am Koffeingehalt verbleiben, wenn auf Angebotslisten im Versandhandel oder auf Speise- und Getränkekarten in Gaststätten die Angabe „mit Koffein“ oder eine vergleichbar eindeutige Angabe fehlt oder diese Angabe ihrer Aufmachung nach nicht zweifelsfrei dem einzelnen Erfrischungsgetränk zugeordnet werden kann.

Da der Verordnungsgeber des § 9 ZZulV zur zweifelsfreien Kenntlichmachung der Zusatzstoffe nach § 9 Abs. 1 ZZulV in § 9 Abs. 6 ZZulV eine konkrete Regelung getroffen und damit zu erkennen gegeben hat, dass er entsprechend dem Zweck des § 9 ZZulV zum Schutz der Verbraucher vor Täuschung bzw. Irreführung im Verkehr mit Lebensmitteln (vgl. jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 2 LFGB) mindestens eine solche Form der Kenntlichmachung für erforderlich hält, kann auch für die Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 KoffeinV nichts anderes gelten. Denn auch dessen Auslegung hat sich an diesem Schutzzweck zu orientieren (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: August 2007, C 340 § 1 Rn. 15 mit Verweis auf § 17 Abs. 1 Nr. 5 LMBG). Außerdem kann auf diese Weise eine einheitliche Kennzeichnung des Zusatzstoffes Koffein und der anderen Zusatzstoffe im Sinne des § 9 Abs. 1 ZZulV sichergestellt werden.

c) Dies zugrunde gelegt, wurden die enthaltenen Zusatzstoffe bei den Lebensmitteln „Afri Cola“, „Crispy Macadamia Cup“ und „Big Vanilla Choc“ nicht hinreichend kenntlich gemacht, da die Angabe bei der „Afri Cola“ unzureichend ist und bei den beiden Eiscremes ganz fehlt.

Bei der „Afri Cola“ erfüllt der am Rand um 90° zum sonstigen Text verdrehte, kleingedruckte Hinweis „Cola mit Koffein, mit Farbstoff“ weder die Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 KoffeinV noch des § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 und 5 i.V.m. Satz 3 ZZulV an eine zweifelsfreie Kenntlichmachung der beiden Zusatzstoffe. Denn hinsichtlich des Aushangs im Geschäftslokal würde danach zwar gemäß § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. Satz 3 ZZulV das Anbringen der erforderlichen Angabe in Fußnoten genügen, jedoch nur, wenn auf die Fußnote bei der Verkehrsbezeichnung hingewiesen wird, woran es hier fehlt. Auf den Flyern, bei denen es sich um Angebotslisten im Sinne des § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 ZZulV handelt, scheidet hingegen die Angabe in Fußnoten aus, weil § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 4 ZZulV von der Sonderregelung des § 9 Abs. 6 Satz 3 ZZulV nicht erfasst wird, so dass hier die gewählte Form der Kenntlichmachung erst recht nicht ausreicht.

Soweit vertreten wird, dass aus der Möglichkeit der Angabe in einer Fußnote gemäß § 9 Abs. 6 Satz 3 ZZulV zwar folge, dass in den Fällen des § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 und 6 ZZulV die Angabe des Zusatzstoffs grundsätzlich bei der Verkehrsbezeichnung erfolgen müsse, wenn von der Möglichkeit einer Fußnote kein Gebrauch gemacht werde, sich die Notwendigkeit der Angabe unmittelbar bei der Verkehrsbezeichnung jedoch hinsichtlich der übrigen Fälle (§ 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 bis 4 ZZulV) weder direkt noch indirekt aus der Vorschrift ergebe (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: August 2007, C 120 § 9 Rn. 54a), kann dem nur eingeschränkt gefolgt werden. Denn wenn der Verordnungsgeber die weniger ins Auge fallende Angabe in Fußnoten nur für § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 und 6 ZZulV, nicht aber für die anderen Fälle der Vorschrift regelt, kann dem nur entnommen werden, dass bei den anderen Fällen (§ 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 bis 4 ZZulV) Fußnoten ausgeschlossen sind und die Angaben über enthaltene Zusatzstoffe jedenfalls in besser wahrnehmbarer Weise als in Fußnoten angebracht werden müssen. Ob dies nur unmittelbar bei der Verkehrsbezeichnung möglich ist oder in anderer Form, kann hier dahinstehen. Jedenfalls reicht eine fußnotenartige Angabe, auf die auch bei der Verkehrsbezeichnung nicht hingewiesen wird und die noch dazu am Rand um 90° zum sonstigen Text verdreht und kleingedruckt dargestellt ist, hierzu nicht aus. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob darüber hinaus die Pauschalbezeichnung „Cola“ in diesem Hinweis ausreichend ist, um die angegebenen Zusatzstoffe allen angebotenen Cola-Sorten, insbesondere auch der „Afri Cola“ konkret zuzuordnen.

Soweit der Antragsteller schließlich gegenüber der Verordnung über koffeinhaltige Erfrischungsgetränke verfassungsrechtliche Bedenken geäußert hat, legt er nicht dar, woraus diese Bedenken folgen sollen, so dass dies auf sich beruhen kann (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO).

2. Erfolg hat der Antragsteller mit seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz jedoch hinsichtlich Ziffer 4. des Bescheides vom 9.10.2006. Diesbezüglich streiten die Beteiligten nicht darum, dass der von der Antragsgegnerin in den Tortellini unter anderem aufgrund einer Probenahme am 29.5.2006 gutachterlich festgestellte Zusatzstoff durch die Angabe „mit Geschmacksverstärker“ grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 ZZulV kenntlich zu machen ist, was zutrifft, sondern darum, dass der Antragsteller vorgetragen hat, die für die Zubereitung nötigen Tortellini inzwischen bei einem anderen Hersteller zu beziehen, der keine Geschmacksverstärker verwende, so dass die Angabe „mit Geschmacksverstärker“ unnötig geworden sei.

Diesen Vortrag hält der Senat angesichts der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers vom 31.10.2006 und der vorgelegten Kopie der Fertigpackung der Tortellini des jetzigen Herstellers zumindest hier im vorläufigen Rechtsschutz für hinreichend glaubhaft. Zudem hat der Antragsteller schon im Vorfeld des Bescheides vom 9.10.2006 substantiiert vorgetragen, die Tortellini mit Geschmacksverstärker nur vorübergehend, aufgrund eines Lieferengpasses seines eigentlichen Herstellers erworben und die Restbestände nur noch verbraucht zu haben, jetzt jedoch wieder die Tortellini ohne Geschmacksverstärker des üblichen Lieferanten zu verwenden.

Vor diesem Hintergrund kann auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht darauf abgestellt werden, dass trotz der eidesstattlichen Versicherung nicht sichergestellt sei, dass der Antragsteller in Zukunft keine Tortellini mit Geschmacksverstärker mehr verwende. Denn die bloße Gefahr, dass der Antragsteller in Zukunft wieder Geschmacksverstärker einsetzt, kann die Anordnung in Ziffer 4. des Bescheides nicht rechtfertigen, da der Antragsteller sonst (zumindest vorläufig) verpflichtet würde, einen tatsächlich nicht verwendeten Zusatzstoff kenntlich zu machen. Darüber hinaus besteht bei frisch zubereiteten Gerichten stets die Möglichkeit, deren Gehalt an Zusatzstoffen durch veränderte Zutaten zu beeinflussen, so dass für die Anordnung, einen Zusatzstoff kenntlich zu machen, in solchen Fällen nur dann Raum ist, wenn genügend tatsächliche Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der Zusatzstoff weiter verwendet wird. Solche Anhaltspunkte fehlen hier jedoch, da die bloße Tatsache, dass in der Vergangenheit solche Zusatzstoffe festgestellt wurden, nicht bedeutet, dass dies auch in Zukunft der Fall ist. Trägt deshalb der Anbieter des Lebensmittels nach einer entsprechenden Lebensmittelkontrolle – wie hier – substantiiert und zusätzlich noch eidesstattlich versichert vor, jetzt auf solche Zusatzstoffe zu verzichten, ist es Sache der zuständigen Behörde, dem durch eine erneute Probenahme oder auf andere Weise nachzugehen, falls sie daran Zweifel hat. Eine vorbeugende Anordnung, einen Zusatzstoff kenntlich zu machen, obwohl offen ist, ob dieser überhaupt noch eingesetzt wird, scheidet hingegen aus.

Ist demnach die in Ziffer 4. des Bescheides vom 9.10.2006 getroffene Verfügung voraussichtlich rechtswidrig, ist deren Sofortvollzug vorläufig nicht geboten und deshalb die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers dagegen wiederherzustellen. Dementsprechend ist auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die mit dieser Verfügung verbundene Zwangsgeldandrohung in Ziffer 6. des Bescheides anzuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.



Datenschutz    Impressum