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OLG Dresden Urteil vom 17.08.2010 - 14 U 551/10 - Zur Werbung mit Flugpreisen ohne Angabe von Zusatzkosten in Form eines Serviceentgelts des Vermittlers
OLG Dresden v. 17.08.2010: Zur Werbung mit Flugpreisen ohne Angabe von Zusatzkosten in Form eines Serviceentgelts des Vermittlers
Das OLG Dresden (Urteil vom 17.08.2010 - 14 U 551/10) hat entschieden:
Nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 der VO (EG) Nr. 1008/2008 ist der zu zahlende Endpreis stets auszuweisen und muss den anwendbaren Flugpreis bzw. die anwendbare Luftfrachtrate sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen. In den Endpreis einzurechnen sind auch die Steuern und Gebühren sowie Serviceentgelte, Servicegebühren und Servicepauschalen.
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Anmerkung: Der BGH (Beschluss vom 17.08.2011 - I ZR 168/10) hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil zurückgewiesen, weil der Wert der von der Beklagten mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro nicht überstieg.
Gründe:
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19.03.2010 abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, soweit die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt wurde, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd für Flugreisen in der Form zu werben, dass der Endpreis vor dem verbindlichen Buchungsvorgang nicht ausgewiesen wird; und/oder dem Kunden ohne sein bewusstes Zutun, insbesondere durch Anklicken, einen Reiseschutz als "Opt-In"-Leistung als Zusatzkosten zu dem Endpreis zugewiesen wird, und soweit die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin EUR 208,56 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2009 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die ihr von dem Landgericht zuerkannten Unterlassungsansprüche zu.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag Nr. 1.a) mit der im Tenor erfolgten Definition des Endpreises hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
2. Der Antrag Nr. 1.a) und der Hilfsantrag zu Nr. 1.c) sind auch begründet.
a) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Antrag zu Nr. 1.a) nach §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 vom 24.09.2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (im Folgenden: VO) begründet ist. Auf die zutreffende Begründung des Urteils des Landgerichts wird Bezug genommen (S. 9-11 UA [Bl. 91-93]). Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz gibt Anlass zu folgenden Ergänzungen:
Nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 VO ist der zu zahlende Endpreis stets auszuweisen und muss den anwendbaren Flugpreis bzw. die anwendbare Luftfrachtrate sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar sind, einschließen. In den Endpreis einzurechnen sind auch die "Steuern und Gebühren" (wie sie unter Ziffer 8 des Buchungsvorgangs genannt werden; im Übrigen spricht die Beklagte von "Serviceentgelt" (Bl. 23 dA), "Servicegebühr" (Bl. 25 dA), "Servicepauschale" (Bl. 27 dA)). Dieses Entgelt ist zwingend und damit unvermeidbar i.S.v. Art. 23 Abs. 1 S. 2 VO zu zahlen, wenn der Kunde den Flug bei der Beklagten bucht. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie die eigentlichen Kosten für die Flugleistung und die Kosten für ihre Vermittlung nicht getrennt ausweisen, weil sie die Kosten für die Flugleistung an das Luftfahrtunternehmen weiterleitet und ihr das Entgelt für die Vermittlung verbleibt. Fallen Kosten für die Inanspruchnahme eines Flugdienstes bei einem Anbieter unvermeidbar an, sind sie in einem Endpreis anzugeben, ohne dass es darauf ankommt, wem eine einzelne Gebühr, ein Zuschlag oder ein Entgelt geschuldet wird. Nach Erwägungsgrund 16 S. 2 der VO soll der vom Kunden zu zahlende Endpreis für aus der Gemeinschaft stammende Flugdienste jederzeit ausgewiesen werden, einschließlich aller Steuern, Gebühren und Entgelte, weil nur dann der Kunde in der Lage ist, die Preise für Flugdienste effektiv zu vergleichen. Dass der Preis für die Vermittlungstätigkeit der Beklagten zum Endpreis i.S.v. Art. 23 Abs. 1 S. 2 VO gehört, folgt aus Art. 2 Nr. 18 der VO. Danach sind "Flugpreise" auch die Preise, die für die Beförderung von Fluggästen im Flugverkehr an andere Flugscheinverkäufer zu zahlen sind, einschließlich des Entgelts, das Agenturen und anderen Hilfsdiensten geboten wird. Die Beklagte ist als Flugscheinverkäuferin in diesem Sinne anzusehen, da sie für den Flugschein Geld verlangt und vereinnahmt, wobei es nicht auf die Vertragsbeziehung des Kunden zu dem Luftfahrtunternehmen ankommt. Jedenfalls würde es sich bei dem Entgelt, das die Beklagte für ihre Vermittlungstätigkeit in Rechnung stellt, um ein Entgelt handeln, das Agenturen i.S.v. Art. 2 Nr. 18 VO geboten wird. Die Definition in der genannten Bestimmung differenziert nicht danach, wer der Agentur das Entgelt zahlt. Würde Art. 23 Abs. 1 S. 2 VO lediglich Vermittlungsprovision erfassen, die das Luftfahrtunternehmen an die Agentur zahlt, ließe sich die Vorschrift leicht umgehen, da dann das Luftfahrtunternehmen über von ihr gegründete, aber rechtlich selbständige Agenturen eine Vermittlungsprovision von dem Kunden verlangen könnte. Art. 2 Nr. 18 und das mit der Verordnung verfolgte Ziel des Verbraucherschutzes erfordern es, dass Art. 23 Abs. 1 S. 2 VO für jeden Anbieter von Flugdiensten gilt. Aus Art. 23 Abs. 1 S. 3, wonach neben dem Endpreis mindestens die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte auszuweisen sind, wie etwa diejenigen, die mit der Sicherheit oder dem Kraftstoff in Zusammenhang stehen, soweit sie dem Flugpreis bzw. der Luftfrachtrate hinzugerechnet wurden, folgt gerade, dass der Verordnungsgeber von Gebühren usw. ausgeht, die in den Endpreis einzurechnen sind, aber nicht mit der Sicherheit oder dem Kraftstoff in Zusammenhang stehen oder damit vergleichbar sind. Die Pflicht, die Gebühr usw. in den Endpreis einzurechnen, folgt allein aus der Unvermeidbarkeit und Vorhersehbarkeit der Kosten in dem Fall, dass der Kunde den Flug bei dem jeweiligen Anbieter bucht.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sich die Gebühr danach bemisst, ob der Kunde einen Mietwagen oder eine Versicherung mit bucht, wobei die Gebühr bei Buchung einer Versicherung entfalle. Das macht es der Beklagten nicht unmöglich, Endpreise zu bilden. Die Verpflichtung zur Bildung eines Endpreises entfällt im Einzelfall dann, wenn ein Endpreis wegen der Zeit- und Verbrauchsabhängigkeit einzelner Preiskomponenten nicht gebildet werden kann (BGH NJW 2010, 2521 - Costa del Sol). Dieser Sonderfall ist hier nicht gegeben, so dass es dabei bleibt, dass die Beklagte das Kalkulationsrisiko trägt (BGH, a.a.O.).
Eine Entscheidung des EuGH über die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen ist zum Erlass des Urteils nicht erforderlich.
b) Das Landgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass der Hilfsantrag zu Nr. 1.c) aus § 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 S. 4 VO gerechtfertigt ist. Auf die zutreffende Begründung des Urteils des Landgerichts wird Bezug genommen (S. 15 UA [Bl. 97 dA]). Entgegen der Auffassung der Beklagten können die in Art. 23 Abs. 1 S. 4 VO genannten fakultativen Zusatzkosten nicht auf solche Kosten beschränkt werden, die mit der Transportleistung in einem "sachlichen Zusammenhang" stehen. Der - insoweit eindeutige - Wortlaut der VO bedarf im Hinblick auf das mit der Verordnung bezweckte Ziel des Verbraucherschutzes einer solchen Einschränkung nicht. Je weniger Kosten mit der eigentlichen Transportleistung zu tun haben, umso mehr bedarf der Verbraucher des Schutzes davor, dass er (durch eine "Opt-Out"-Basis) versehentlich Waren oder Leistungen bestellt. In anderen Fassungen der Verordnung meinen die entsprechenden Begriffe nicht, wie die Beklagte behauptet, "fakultative Bestandteile des Preises" (in Englisch: "Price supplements, in Französisch: "Suppléments de prix, in Portugiesisch: "Suplementos de preco"). Wörtlich sind die genannten Begriffe mit Preisaufschlag, Preiszuschlag oder auch Mehrpreis zu übersetzen. Ein Unterschied zur deutschen Fassung besteht nicht.
c) Wegen des Anspruchs der Klägerin auf Ersatz der Abmahnkosten wird auf die zutreffende Begründung im Urteil des Landgerichts verwiesen (S. 16 UA [Bl. 98 dA]).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.